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Sport: Das große Platzen

Weil Miroslav Klose wieder trifft, traut sich Bremen zwei Titel zu

In den Fußballstadien der Moderne wird der Zuschauer mit allerlei Klängen und Geräuschen traktiert. Tore werden mit Ziegengemecker angekündigt, Werbebotschaften mit Melodiefragmenten untermalt, Verletzungspausen mit dem Heulen von Martinshörnern. Würde man die Besucher des Bremer Weserstadions am Donnerstagabend vernommen haben, so hätten sie wohl übereinstimmend zu Protokoll gegeben, laut und deutlich das Ticken einer Uhr gehört zu haben: das Ticken des Miroslav-Klose-Torlosigkeit- Zeitmessers. Bei 1122 Minuten hatte die Uhr im Viertelfinal-Rückspiel des Uefa- Cups gegen AZ Alkmaar den Betrieb wieder aufgenommen, 35 Minuten später blieb sie endgültig stehen. Aaron Hunt entschied sich in aussichtsreicher Schussposition zu einem Akt der Solidarität, er legte den Ball quer in die Mitte, Klose musste ihn nur noch ins leere Tor wuchten. „Er konnte nichts mehr falsch machen“, sagte Torsten Frings, der Kapitän des SV Werder Bremen.

Schwer zu sagen, wie viel Euphorie über den Einzug ins Uefa-Cup-Halbfinale in Frings’ Interpretation steckte. Miroslav Klose hat zuletzt oft genug bewiesen, dass er auch dann noch etwas falsch machen kann, wenn er nichts mehr falsch machen konnte. Aber damit ist es nun vorbei. „Jetzt zählt keiner mehr die Minuten“, sagte Sportdirektor Klaus Allofs. Dem 2:1, seinem ersten Tor seit dem 31. Januar, ließ Klose später das vorentscheidende 3:1 folgen, Diegos Treffer zum 4:1-Endstand bereitete er mit einem Doppelpass vor. „Besser geht’s gar nicht. Das hat er sich verdient“, sagte Tim Borowski. „Miro hat in den letzten Wochen ziemlich viel auf die Fresse gekriegt.“

Kloses Kollegen hatten sich längst so sehr mit ihrem erfolglosen Torjäger solidarisiert, dass die ganze Mannschaft von ihm mit in die Tiefe gerissen zu werden drohte. Gegen Alkmaar löste sich der allgemeine Gefühlsstau. „Endlich!“, sagte Patrick Owomoyela. Nach dem Ende der bleiernen Zeit besteht eher die Gefahr, dass Kloses Treffer und dessen Wirkung ins Unermessliche überhöht werden. „Deswegen bricht keine neue Zeitrechnung an“, sagte Klaus Allofs. „Ich bin nicht vor ihm niedergekniet.“ Die Bremer betrachten die Zeit n. K. (nach Kloses Tor) lediglich als die Fortsetzung einer glücklichen Epoche, in der noch alles möglich schien, der Gewinn der Meisterschaft genauso wie der des Uefa-Cups. Dieser Zustand ist nun weitgehend wiederhergestellt. „Wir sind nah dran an beiden Zielen“, sagte Clemens Fritz.

Der Sieg gegen Alkmaar kehrte die Stimmung bei Werder vom grundsätzlich Negativen ins grundsätzlich Positive. Verdrängt war mit einem Mal der Ärger um die ungeklärte Zukunft von Frings und Klose, um die zuletzt fußballerische Dürftigkeit im Bremer Spiel und die Sorge angesichts der vielen Verletzten. An diesem Abend taten sich plötzlich personelle Alternativen auf: Petri Pasanen löste seine Aufgabe als Innenverteidiger mit finnischer Gelassenheit. Patrick Owomoyela überzeugte auf der ungewohnten Position des linken Verteidigers, und Tim Borowski, nach fast sieben Wochen Pause zurück im Team, erzielte das 1:0. „Auch bei einzelnen Spielern sind ein paar Knoten geplatzt“, sagte Owomoyela.

Der dickste platzte bei Klose. Wie es in ihm aussah, war nur zu erahnen. Klose äußerte sich nicht, er ließ lediglich mitteilen, dass er den Abend alleine beschließen wolle. Nur kurz betrat Klose die Interviewzone, er machte ein paar Schritte auf die Journalisten zu und drehte dann um, ohne ein Wort zu sagen. Die Regularien der Uefa schreiben vor, dass jeder Spieler in der Mixed-Zone erscheinen muss. Miroslav Klose wollte sich an diesem Abend wohl nicht vorwerfen lassen, irgendetwas versäumt zu haben.

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