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Aus den Augen, aus dem Sinn. Im Winter will Magath den Kader erneuern. Foto: dpa

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Sport: Das große Rätseln

Trainer Felix Magath hat den VfL Wolfsburg komplett verunsichert – sogar er selbst wirkt ratlos.

Von Christian Otto

Die Wertung des Misserfolgs übernahm der Chef natürlich persönlich. Dem gestrigen Austraben nach der 1:4-Pleite bei Werder Bremen folgten ein kollektives Schweigen seiner Spieler und jene Worte von Felix Magath, die sich ständig wiederholen und immer mehr wie Durchhalteparolen klingen. „Ich bin enttäuscht“, sagte der Chef des VfL Wolfsburg, der sich den Abstiegsrängen der Fußball-Bundesliga immer mehr annähert. Was in anderen Klubs nach nur 17 Punkten aus 16 Spielen zu hektischem Treiben und einer Diskussion über die Zukunft des Trainers führen würde, lässt den Alleinherrscher Magath kalt. Der Routinier geht wie immer vor. Er kritisiert sein Personal, will während der Winterpause erneut einkaufen und sich im Gegenzug von erfolglosen Profis trennen. Aber was wird das wirklich bringen?

Zum großen Rätselraten, das den Absturz des VfL Wolfsburg in der Tabelle begleitet, gehört die bange Frage, welche Strategie Magath eigentlich verfolgt. Es ist sein gutes Recht, seinem autoritären Stil treu zu bleiben. Die Mehrheit der Kritik an seiner Arbeit lässt der 58-Jährige lächelnd an sich abprallen und verweist meistens darauf, dass er vor vier Jahren bei seinem ersten Engagement in Wolfsburg ähnliche Anlaufschwierigkeiten hatte, um dann im Sommer 2009 mit dem VfL überraschend als Deutscher Meister zu triumphieren. Aber selbst die treuesten Fans des niedersächsischen Klubs verlieren allmählich den Glauben daran, dass sich aus den ewigen Umwälzungsprozessen in dieser Saison noch etwas Stabiles entwickeln kann. 30 verschiedene Profis hat der Wolfsburger Boss bisher schon eingesetzt. Nur ganz wenige von ihnen konnten sich sicher sein, für ein paar Tage am Stück das volle Vertrauen des Liebhabers von Disziplin und harter Arbeit zu genießen.

Es gibt selbst in diesem luxuriös ausgestatteten Kader des VfL Wolfsburg tatsächlich personelle Engpässe, die als Ausrede taugen. Die nachträglich verpflichteten Stars Alexander Hleb und Thomas Hitzlsperger sind derzeit nicht einsatzbereit. Doch wer immer wieder Spieler degradiert und kritisiert, beschneidet sich in seinen eigenen Möglichkeiten. Magaths Liste der aussortierten Profis ist lang. Patrick Helmes führt sie an. Er spielt keine Rolle mehr, genauso wie der Grieche Sotirios Kyrgiakos. Der Tscheche Jan Polak stand zuletzt darauf, darf sich jetzt aber wieder beweisen. Was soll man von einem komplett durchgeschüttelten Team noch erwarten, in dem die Furcht vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes zum Alltag gehört? „Uns fehlt die mentale Stärke“, findet Magath, dessen Führungsstil aber auch dazu führt, dass jedwede aufkommende Kontinuität im Keim erstickt wird.

Wer ein Sinnbild für die Verunsicherung im Team des VfL Wolfsburg sucht, wird zwangsläufig bei einem Spieler wie Alexander Madlung landen. Der kantige Innenverteidiger ist in der Hinrunde von Magath angesichts seiner schwankenden Einstellung schon öffentlich abgewatscht, aber eben auch zum Stammspieler erklärt worden. Die Stürmer des SV Werder Bremen ließen Madlung am Samstag wie den lahmen Teil eines gelähmten Teams aussehen, das frei von jeder Hierarchie und Systematik dem Abstieg näher kommt.

Im Sommer hatten die Wolfsburger mit Magath als Retter den drohenden Absturz in die Zweite Liga gerade noch abwenden können. Seitdem spricht der Trainer, Manager und Geschäftsführer von einem Neuaufbau, der nun schon 16 Spieltage andauert. Magath hat es mit Suspendierungen, Geldstrafen und Nachverpflichtungen versucht. Dann streut er wieder aufmunternde Ablenkungen wie Speerwerfen beim Training oder Bowling im Trainingslager ein, um einen Impuls zu setzen. Über das magere Ergebnis seines Wirkens wäre so mancher Kollege längst gestolpert und entlassen worden. Bei den Geldgebern und Entscheidern in Wolfsburg herrscht aber weiterhin die Meinung vor, dass der Trainer recht hat und die Spieler alles falsch machen.

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