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Sport: Das Leiden der Dopingopfer: Betteln unerwünscht - Nur ein kleiner Verein kümmert sich um Dopingopfer der DDR

Roland Schmidt ist Bademeister. Schmidt steht im Freibad von Nossen, einer Kleinstadt, eine halbe Autostunde von Dresden entfernt.

Roland Schmidt ist Bademeister. Schmidt steht im Freibad von Nossen, einer Kleinstadt, eine halbe Autostunde von Dresden entfernt. Er trägt ein weißes T-Shirt und darunter die Spuren der Vergangenheit. Zwei Narben, jede fünf Zentimeter lang, knapp unterhalb der Brustwarzen. Das knotenartige Gewebe, das darunter wucherte, hatten ihm DDR-Mediziner 1983 operativ entfernt. Denn dem erfolgreichen Junioren-Gewichtheber waren nach massenhaftem Konsum des Anabolikums Oral-Turinabol regelrecht Brüste gewachsen. Mehr als zehn Jahre später, die Mauer war längst gefallen, wollte Schmidt eine Entschädigung. Doch sowohl das Bezirksgericht als auch das Landgericht Dresden entschieden gegen die Ansprüche Schmidts. Die Begründung: Dopingärzte hätten in der DDR im staatlichen Auftrag gehandelt, die DDR existiere nicht mehr - und für diesen juristischen Komplex sei eine Rechtsnachfolge der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben. Kein Geld also von Dopingärzten, kein Geld vom Staat. "Es gibt eben keine gesetzlichen Regelungen in diesen Fragen, daran hat man im Einigungsvertrag nicht gedacht", beklagt Schmidt. Und genau vor diesem Problem stehen alle Dopingopfer der DDR.

Schmidt hat dann doch noch ein paar Hundert Mark erhalten. Das Geld kam vom Dopingopfer-Hilfeverein, einer kleinen Hilfsorganisation in Weinheim in Baden-Württemberg. Der Verein ist die einzige Geldquelle für Dopingopfer in der reichen Bundesrepublik, in der allein die Hauptstadt ihre drei Opernhäuser jährlich mit 225 Millionen Mark unterstützt. 225 Millionen Mark! Gerade mal zehn Mitglieder hat der 1999 gegründete Verein, die Zugehörigkeit ist kostenlos - Spenden werden natürlich erwartet. Der Vorsitzende, der Unfallchirurg Klaus Zöllig, tippt am häuslichen Schreibtisch Bettelbriefe in den Computer. In zwei Jahren sind so rund 60 000 Mark zusammengekommen. Zwei Drittel davon sind aufgebraucht - für medizinische, juristische oder anderweitige Unterstützung der Opfer. "Manche Ex-Sportler konnten sich nicht einmal eine Fahrkarte nach Berlin zu den Dopingprozessen leisten", erzählt Zöllig.

Er lebt mit dem Frust. "Namhafte Unternehmen habe ich um Spenden gebeten, zum Beispiel BMW, Mercedes oder BASF, die durch Sponsoring bei Sportveranstaltungen oder Trikotwerbung auffielen." Erfolg: null. Ein besonderer Fall ist Jenapharm. Die thüringischen Pillenproduzenten, inzwischen unter dem Dach des Schering-Konzerns, produzierten das Standard-Dopingmittel Oral-Turinabol. Dass Jenapharm eine Bitte um Spenden abwies, wirkt für Beobachter deshalb besonders bizarr. Auch von verurteilten Ärzten, Trainern und Funktionären floss nichts in die Kasse des Vereins. Die Verantwortlichen mussten zwar Geldbußen zahlen, aber nicht an die Vertretung der Dopingopfer. Nur die Behörden in Erfurt leiteten die Einnahmen aus den Dopingprozessen an die Opferorganisation weiter

Das Nationale Olympische Komitee für Deutschland erhielt nach der Wende fünf Millionen Mark aus dem Nachlass des DDR-NOK für die Förderung des Sports in den Neuen Bundesländern. An die Dopingopfer hatte damals keiner gedacht. NOK-Präsident Walther Tröger sagt jetzt: "Möglicherweise haben sich alle in Politik und Sport hierzulande des Themas bisher nicht genug angenommen. Wir sind bereit zu helfen, aber nur in Verantwortung mit dem Deutschen Sportbund und der Bundesregierung."

Die Opfer kennen solche Aussagen. Die Verantwortung wird weitergeschoben oder sie wird geteilt. Und zum Schluss passiert gar nichts. Manchmal wünschen sich Beobachter der Doping-Prozesse zynisch, Bundes-Politiker wären zugleich Eltern von Dopingopfern.

Hans-Joachim Seppelt

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