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Da war ein Fest. Die Fanmeile am Brandenburger Tor in Berlin platze aus allen Nähten.

© dpa / dpa/Marcel Mettelsiefen

Das Nachspiel zum großen Spiel: Der Prozess zum Sommermärchen beginnt

Die Fußball-WM 2006 galt lange als deutsches Sommermärchen, auf das sich durch eine dubiose Millionenzahlung ein Schatten gelegt hat. Nun kommt es zum Prozess gegen drei frühere DFB-Funktionäre.

Fast 18 Jahre nach der Fußball-WM in Deutschland steht in der Sommermärchen-Affäre der letzte Akt an. Neue Erkenntnisse oder gar eine Aufklärung der dubiosen Millionenzahlungen rund um den damaligen Chef des Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, sind zwar nicht zu erwarten, wenn sich die ehemaligen DFB-Topfunktionäre Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt ab kommenden Montag vor dem Frankfurter Landgericht wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall verantworten müssen. Doch für das Trio und auch den Deutschen Fußball-Bund steht viel auf dem Spiel.

Konkret geht es um eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die der Deutsche Fußball-Bund im April 2005 an die Fifa überwiesen hatte. Den Angeklagten wird von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, dass diese Summe in der Steuererklärung des Verbandes für das Jahr 2006 unberechtigt als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung eingeflossen sein soll.

Die drei Angeklagten haben diesen Vorwurf stets zurückgewiesen. „Ich freue mich, dass in einer öffentlichen Hauptverhandlung dieser Fall für jedermann sichtbar aufgeklärt wird. Dann kommt endlich die Wahrheit auf den Tisch, und die muss ich nicht fürchten“, sagte der ehemalige DFB-Präsident Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur vor dem mit Spannung erwarteten Prozess-Auftakt.

Die Anwälte von Niersbach, der den Posten im November 2015 im Zuge der damals bekannt gewordenen Affäre verlor, teilten mit: „Die Hauptverhandlung wird ergeben, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in der Sache unzutreffend sowie rechtlich haltlos sind. Am Ende dieses mehr als acht Jahre andauernden Strafverfahrens kann daher nur ein Freispruch unseres Mandanten stehen.“

Das wäre ganz im Sinne des DFB, dem 2017 von den Finanzbehörden im Zuge der Affäre rückwirkend die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2006 aberkannt worden war. Die Folge: Der DFB musste rund 22,5 Millionen Euro Steuern nachzahlen. Die Klage des Verbandes gegen diesen Bescheid ist beim Finanzgericht in Kassel bis zum Abschluss des Sommermärchen-Prozesses ausgesetzt und dürfte nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn Zwanziger, Niersbach und der frühere DFB-Generalsekretär Schmidt freigesprochen werden sollten.

Ursprünglich hatte das Landgericht das Verfahren gegen das frühere DFB-Trio im Oktober 2022 eingestellt

Nach der Aufnahme des Prozesses sah es im Januar für kurze Zeit nicht aus, denn die Staatsanwaltschaft hatte rund um den Jahreswechsel mit Niersbach und Schmidt eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage ausgehandelt. Niersbach sollte 58.000 Euro zahlen, Schmidt sogar 100.000 Euro. „Die Zustimmung zu einer solchen Einstellung erteilte Herr Niersbach, um die Belastungen einer sich über Monate hinziehenden öffentlichen Hauptverhandlung zu vermeiden und nicht etwa, weil er eine Verurteilung fürchtet“, teilten Niersbachs Anwälte mit.

Wäre es dazu gekommen, hätte dies wohl das Ende der DFB-Hoffnungen auf die Rückzahlung der Steuermillionen bedeutet. Eine solche Einigung würde zwar nicht als Schuldeingeständnis der Angeklagten gewertet. Doch nur wenn juristisch einwandfrei geklärt wird, dass 2006 keine Steuerhinterziehung vorlag, hat der DFB gute Karten.

Weil die Staatsanwaltschaft ihr Angebot nicht auch Zwanziger unterbreitet und diesen nicht einmal darüber informiert hatte, wertete das Gericht den Deal jedoch als Verstoß gegen das Gebot der Fairness und lehnte diesen wegen Ungleichbehandlung ab. Möglicherweise bekommt diese Causa sogar noch ein juristisches Nachspiel.

Ursprünglich hatte das Landgericht das Verfahren gegen das frühere DFB-Trio im Oktober 2022 eingestellt, nachdem zuvor ein Verfahren in der Schweiz gegen die Beschuldigten wegen Betrugs bzw. Gehilfenschaft zum Betrug aufgrund der Verjährung eingestellt worden war. Das Oberlandesgericht Frankfurt hob den Beschluss des Landgerichts im Mai 2023 jedoch auf und setzte das Verfahren wieder in Gang.

Während die Frage, ob die 6,7 Millionen Euro korrekt verbucht und versteuert wurden, nun vor einer endgültigen Klärung steht, dürften die Hintergründe der dubiosen Zahlung weiter im Dunkeln bleiben. Das Geld, das der unlängst verstorbene Franz Beckenbauer 2002 als Privatdarlehen vom französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus erhalten hatte, war drei Jahre später nach der Rückzahlung durch den DFB an die Fifa letztlich beim damaligen Vizepräsidenten, Mohammed bin Hammam, in Katar gelandet. Der Kaiser schwieg stets darüber und nahm das Geheimnis nun mit ins Grab.

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