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Sport: Das neue Europa

Die EM zeigt, wie ausgeglichen und stark die kontinentale Spitze im Basketball geworden ist

Dreimal bekreuzigte sich Zeljko Obradovic – dann schimpfte Serbien-Montenegros Trainer gestenreich weiter. Über seine Spieler, über die Mannschaft, über sich selber. „Es gab hier Skandale, mit denen ich noch nie zu tun hatte“, sagte der renommierte Basketball-Coach. „Die Probleme waren, wer zu wem den Ball spielt, wer als Letzter zum Training oder zum Essen kam oder wer in der Nacht am längsten aus war.“ 40 Minuten lang redete sich Obradovic in Rage, sogar Nachtklubbesuche seiner Spieler während der Vorbereitung enthüllte er. Der neben ihm sitzende Dolmetscher hatte längst die Übersetzung des trapattonischen Wutausbruchs aufgegeben. Er sagte: „Bitte entschuldigen Sie, das sind Emotionen.“

Nicht nur Trainer Zeljko Obradovic, ganz Serbien-Montenegro ist geschockt, dass es der amtierende Weltmeister bei der Basketball-Europameisterschaft im eigenen Land noch nicht einmal unter die besten acht Teams geschafft hat. Allerdings befindet sich Obradovics Team in guter Gesellschaft. Auch der Olympiazweite, Italien, und der Zweite der EM 2001, Türkei, fehlen im Viertelfinale. Eindrucksvoll hat sich bestätigt, wie ausgeglichen hoch das Niveau der europäischen Nationalteams ist. Litauen und Slowenien, das heute vor wohl 10 000 mitgereisten Fans (18 Uhr, live im DSF) gegen das deutsche Team spielt, zählen nun zu den Titelfavoriten. Doch auch die übrigen sechs Mannschaften können Europameister werden.

„Der europäische Basketball hat sich in den letzten fünf bis acht Jahren unheimlich entwickelt“, sagt Bundestrainer Dirk Bauermann. Der Vorsprung, den das Basketball-Land Serbien-Montenegro hatte, ist verloren gegangen. „Die anderen Nationen haben viel investiert“, sagt Bauermann, „die Franzosen haben ihr Internatssystem, die Balten haben die Basketballschulen von Sabonis und Marciulionis.“

Auch sei der europäische Markt größer und internationaler geworden. „Der FC Barcelona kauft Gianluca Basile für 1,3 Millionen Euro, das sind ja schon Dimensionen wie im Fußball“, sagt Bauermann. Und nach der Öffnung der NBA für europäische Spieler glauben viele , den Sprung in die USA schaffen zu können. „Der erste Slowene hat es den anderen vorgemacht“, sagt Bauermann. Inzwischen spielen Bostjan Nachbar (New Orleans), Primoz Brezec (Charlotte) und Radoslav Nesterovic (San Antonio) in der besten Basketballliga der Welt, Erazem Lorbek ist von den Indiana Pacers gedraftet worden.

Doch die Zahl der NBA-Spieler sagt nicht viel über das Abschneiden bei der EM aus. Das haben die fünf NBA-Spieler Serbien-Montenegros bei der Niederlage im Überkreuzspiel gegen Frankreich (71:74) gezeigt. Bei dieser EM ist Talent nicht mehr der entscheidende Faktor. Trainer Obradovic sagt: „Wir hatten das beste Team, aber die schlechtesten menschlichen Beziehungen.“

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