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Sport: Das Prinzip Ausrede

Wie die deutschen Fußballer ihre bescheidene Leistung beim Sieg auf den Färöern schönreden

Torshavn. Das Team präsentierte sich als Einheit, die deutschen Fußballer hielten eng zusammen: beim Schönreden hinterher. Gerade eben hatten die deutschen Profis die Färöer durch zwei sehr späte Tore besiegt, da wagte ein Beobachter vor den Spielern anzumerken, dass die Deutschen beinahe nur unentschieden gespielt hätten, und er fragte, ob man da nicht etwas kritischer sein müsse mit der eigenen Leistung? Fredi Bobic, künftiger Hertha-Stürmer, raunzte ihm die Antwort zu: „Was soll das? Wir haben 2:0 gewonnen. Kriegt das in euren deutschen Mentalitätsschädel hinein!“

Im Prinzip stimmte das. Und im Prinzip stimmte auch, was Torhüter Oliver Kahn sagte, der in der zweiten Halbzeit wegen Problemen mit seinen Augen auf der Bank sitzen musste: „Wir haben 90 Minuten auf ein Tor gespielt.“ Dann fügte er hinzu: „Die Leistung war überhaupt nicht peinlich, das Spiel hätte doch auch 7:0 ausgehen können.“ Womit er im Prinzip wieder Recht hatte.

Es war erstaunlich, mit welchem Eifer die deutschen Spieler ihre Leistung rechtfertigten, die angeblich gar nicht so übel gewesen sein soll. Fredi Bobic kam sogar ins Schwärmen: „Das habe ich bisher nur im DFB-Pokal erlebt, so ein Anrennen und Anrennen.“ Wie im Pokal war es also, das war eine Art inoffizielle Sprachregelung nach der Partie.

Ja, das Spiel hatte im Prinzip alles, was so ein Pokal-Fight, ein Kampf Klein gegen Groß, haben muss: Das Gastgeberland war mit 48 000 Einwohnern noch provinzieller, der Gegner als Vizeweltmeister mit 6,7 Millionen Mitgliedern im Fußballverband noch übermächtiger, als es bei Duellen im heimischen DFB-Pokal gemeinhin der Fall ist. Für die einen war es das Spiel des Jahres, für die anderen ein Match, „in dem man nur verlieren kann“, wie Kahn schon vorher wusste. Fredi Bobic sagte also: „An das Spiel werde ich mich noch in 20 Jahren erinnern, und ich werde meinen Enkeln davon erzählen.“

Spannend war es ja auch, wie der Ball immer wieder nicht im Tor der tapferen Färinger landen wollte. In der ersten Halbzeit beispielsweise. Da spielte Torhüter Mikkelsen den Ball direkt in die Füße von Bobic. Der hatte das leere Tor vor sich, traf aber aus spitzem Winkel nur den linken Innenpfosten, von wo der Ball die Torlinie entlangtrudelte und dann rechts am Tor vorbeirollte. Später wurden Pfosten und Latte des Färöer-Tores noch diverse Male malträtiert, aber es dauerte eben bis zur vorletzten Minute, bis der eingewechselte Klose sein Sprungtalent optimal einsetzte und den Ball ins rechte Eck köpfte. Bobic sagte noch, sein Tor, das zweite kurz darauf, sei typisch gewesen für diese Partie: „Irgendwie habe ich das Ding über die Linie gedrückt, erst per Kopf, dann den Abpraller mit dem Körper.“

Reingewurschtelt, wollte er wohl sagen, und so spielten die Deutschen auch, vor allem in der ersten Halbzeit. Völlers Hoffnung, auch mal wieder spielerisch zu überzeugen, erfüllte sich nicht. Bernd Schneider, nach Ballacks verletzungsbedingtem Ausfall eigentlich für die Kabinettstückchen zuständig, war erneut schwach und sagte: „Wir müssen sehr froh sein über diesen Sieg. Wer so viele Chancen vergibt, gewinnt normalerweise nicht mehr.“ Den Grund dafür, dass es schließlich doch ein Happy End aus deutscher Sicht gab, nannte Teamchef Rudi Völler: „Wir haben etwas, was uns von den anderen Nationen unterscheidet. Wir glauben an uns, und zwar bis zum Schluss.“

Da sind sie also wieder, die letzten Ausläufer deutscher Tugenden: Auch wenn es nicht läuft, nie die Geduld und Hoffnung auf Erlösung aufgeben und brav weiterkämpfen. Teamchef Völler, der aufgewühlt am Spielfeldrand das ideenlose Anrennen verfolgt hatte, erwartet nun in der Gruppe einen Dreikampf um Platz eins, der ohne Umweg nach Portugal zur EM führt. Denn die Isländer, die noch zweimal Gegner der Deutschen sind, haben die Schotten nach dem 3:0 in Litauen von Rang zwei verdrängt.

Rudi Völler stellte jedenfalls abschließend fest: „Die besten Chancen haben wir.“ Das ist im Prinzip richtig.

Marc Thylmann

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