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Die Lokomotive in Aktion. Emil Zatopek.

© picture-alliance/dpa

Kolumne so läuft es: Das Rezept von Emil Zatopek

Kultläufer Emil Zatopek hörte stets nur auf sich selbst. Vor allem das machte ihn zu einem ungewöhnlichen Läufer und macht einen guten Läufer aus.

Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft“. Es gibt wohl kaum ein Laufbuch, in dem dieses Zitat von ihm nicht irgendwo steht. Und dabei ist der Kultläufer Emil Zatopek beinahe geflogen, so schnell war er. In den 50er Jahren gab es wohl keinen Läufer, der mehr für seinen Sport lebte als Zatopek. 1952 rockte er bei den Olympischen Spielen in Helsinki einfach alles. Was er schaffte, schaffte kein anderer Läufer. Sieg über 5000 Meter in 14:06,6 Minuten, 10 000 Meter in 29:17,0, Marathon in 2:23:03,2 Stunden. Und der Hammer: Alles in einem Zeitfenster von acht Tagen. 1997 wurde er in Tschechien zum „Athleten des Jahrhunderts“ gewählt. Was aber machte Emil Zatopek zu einem so außergewöhnlichen Läufer?

Vor allen Dingen die Tatsache, dass er stets nur auf sich selbst hörte. Und seine Art des Laufens zelebrierte und lebte. In seiner Jugend wirkte er eher schwächlich. Niemand glaubte, dass er auch nur 100 Meter schnell laufen könne. Und er lief doch. Sein Laufstil war von Anfang an eine Vollkatastrophe. Bereits nach einigen Kilometern erweckte er den Eindruck, mit seinen Kräften völlig am Ende zu sein. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Eher so, als ob ihm ein Schwergewichtsboxer ordentlich eins verpasst hätte. Sein Laufstil wirkte unfassbar schwergängig. Daher auch sein Spitzname „die tschechische Lokomotive“. Sein Laufstil war zudem schlicht unökonomisch. So sehr, dass für Jahrzehnte über die Physiologie des Trainings geforscht wurde. Und die Laufökonomie quasi keine Rolle mehr spielte.

Emil Zatopek aß nur was ihm wirklich schmeckte, gesund gab es bei ihm nicht

Emil trainierte beinahe ausschließlich nach Intervalltraining. Seine Wiederholungen waren jedoch völlig absurd für die damalige Zeit. 50 mal 400 Meter mit 200 Metern Trabpausen. Also 30 Kilometer. Er hat sich durch den Krieg geschlagen, ernährte sich entsprechend katastrophal. Er aß nur was ihm wirklich schmeckte, gesund gab es bei ihm nicht. Er wurde verhöhnt als Karikatur des Laufens, weil er von links nach rechts mit abgeknicktem Oberkörper und heraushängender Zunge ins Ziel hampelte. Er machte sich einen Spaß daraus. Und lief einfach weiter.

Der englische Sportreporter Joe Binks schrieb über Emil: „Zatopek sieht aus, als werde er gleich sterben, aber während ich glaubte, jetzt müsse er zusammenbrechen, lächelte er plötzlich, steigerte sein Tempo zu einem noch schnelleren Spurt – und gewann! Ich fragte den Tschechen nach dem Geheimnis seiner Ausdauer. Es besteht gerade in der Bewegung, die ich am wenigsten verstand. Beim Laufen paddelt er mit einem Arm in der Luft. Damit pumpt er Wind in seine Lungen.“ Emil Zatopek hatte ein Geheimrezept entwickelt, das seinen Erfolg ausmachte. Ein Geheimrezept, das jede Läuferin und jeder Läufer einfach nachkochen sollte. Das jeder, der mit dem inneren Schweinehund kämpft, immer wieder lesen sollte.

Man nehme: Eine große Portion „Ich höre nur auf mich selbst“. Einen großen Löffel „Lass die anderen reden, ich laufe einfach“. Ein Kilo „Lass die anderen lachen, ich lache sie aus, wenn ich im Ziel bin“. Dazu: Ein Pfund Spaß. Ein Pfund Leidenschaft. Und eine große Portion Gelassenheit. Alles kräftig durchmischen. Fertig. Vielleicht noch einen süßen Guss „Einfachheit“ über alles. So einfach wie Zatopek, der es perfekt auf den Punkt gebracht hat: „Hier ist der Start, dort ist das Ziel. Dazwischen musst Du laufen.“ So läuft es.

- Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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