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Sport: Das ungleiche Doppel

Hans Wilhelm Gäb, eine der angesehensten Personen des deutschen Sports, kümmert sich jetzt um Timo Boll

Bremen. Timo Bolls kleine Tischtennis- Welt hat in diesem Jahr ein Stück Beschaulichkeit verloren. Als Boll bei der Weltmeisterschaft in Paris in der zweiten Runde ausschied, musste er in der Zeitung lesen, dass er sich schlecht vorbereitet habe und sowieso überschätzt worden sei. „Leute, die sich immer in meinem Erfolg gesonnt hatten, haben auf einmal unmögliche Kommentare abgegeben“, sagt Boll. Bis dahin war alles so gut gelaufen: Europameister war er geworden, er hatte im Tischtennis-Land China den Weltcup gewonnen und die Führung in der Weltrangliste übernommen. Doch in Paris war die schöne Serie vorbei, die Häme groß, und auch bei der Suche nach Sponsoren kam Boll nicht richtig weiter. Bei den German Open in Bremen hat er am Freitag gegen den Tschechen Tomas Pavelka schon in der ersten Runde verloren. „Ich bin wieder auf dem Weg zu einer Grippe“, erklärte er die Niederlage.

Um wieder Fortschritte zu machen, auch wirtschaftliche und persönliche, hat Boll einen Mann um Hilfe gebeten, der zu den erfahrensten im deutschen Sport zählt: Hans Wilhelm Gäb. Sie haben einen kleinen Vertrag geschlossen, und vom 1. Dezember an berät die angesehenste Persönlichkeit im deutschen Tischtennis den besten Spieler, den das deutsche Tischtennis bislang hatte. Es ist ein ungewöhnliches Doppel. Der 67 Jahre alte Gäb hatte sich sein Studium einst mit dem Verkauf eines selbst entwickelten Tischtennis-Schlägers finanziert. Eine Mark bekam er für jeden Schläger, im Jahr waren das bis zu 20 000. Dem 22-jährigen Boll wird dagegen Unselbstständigkeit nachgesagt, Gäb hat ihn sogar mal scherzhaft gefragt, ob er überhaupt einen Tee kochen könne. Während Gäb ein paar altmodische Vorstellungen vom Tischtennis hat und es zum Beispiel gern langsamer machen würde, gilt Bolls Spiel als eines der modernsten der Welt.

Im deutschen Sport hätte Gäb alles werden können: Als Willi Daume für sich einen Nachfolger als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees suchte, kam er auf Gäb. Als ein Präsident des Deutschen Sportbundes gesucht wurde, wurde Gäb ebenfalls genannt. Für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona war Gäb als Chef de Mission vorgesehen. Doch dann erhielt er die Nachricht, dass er an Hepatitis C erkrankt sei. Die Ärzte gaben ihm noch drei Jahre Lebenszeit.

Seine Karriere als Sportfunktionär war damit vorbei. Er gab sein Amt als Präsident des deutschen und des europäischen Tischtennis-Verbands auf. Er ließ sich eine neue Leber einpflanzen. Inzwischen ist ihm ein kleines medizinisches Wunder gelungen, er hat den Virus aus seinem Körper vertrieben, „mit einer Art Chemotherapie in Eigenregie“, wie er sagt. Diese Lebensgeschichte trifft nun auf Bolls Unbekümmertheit.

Mit Gäb als Berater wäre Boll nie zu Stefan Raab gefahren und hätte gemeinsam mit dem Fernsehmoderator bei „TV Total“ ausprobiert, wie viele Tischtennisbälle man auf einmal in den Mund nehmen kann. „Man hat ihm eingeredet, er könne mit solchen Aktionen etwas fürs Tischtennis tun. Aber das ist Humbug. Er tut etwas fürs Tischtennis mit seiner Seriosität, seiner Integrität und einer konstanten Leistung“, sagt Gäb.

Wie Leistung honoriert werden kann, davon versteht Gäb eine ganze Menge. Er ist ein Pionier des professionellen Tischtennis in Deutschland. In den Siebzigerjahren holte er Ralf Wosik und Hajo Nolten zu seinem Verein Borussia Düsseldorf und besorgte Sponsoren, die ihnen ein Auskommen ermöglichten. Gäb war aber auch einer der Ersten in der deutschen Industrie, die auf Sportsponsoring setzten. Als Vorstandsmitglied bei Opel und Vizepräsident von General Motors Europa verpflichtete er Steffi Graf und Franziska van Almsick. Er hat den Vertrag mit Bayern München geschlossen, und den beim AC Mailand handelte er mit Silvio Berlusconi aus.

Nun bemüht sich Gäb um Sponsoren für Boll und sucht ihm eine neue Marketingagentur, ohne dafür eine Vermittlungsgebühr zu verlangen. Er glaubt an weitere Entwicklungsmöglichkeiten im deutschen Tischtennis, und er glaubt an Boll: „Er ist ein Junge, der einem in die Augen schauen kann.“ Boll ist der Respekt vor Gäb, dem Ehrenpräsidenten des Deutschen Tischtennis-Bundes, anzumerken, er spricht sogar von „Betreuung“, obwohl er am Anfang nur Rat in Wirtschaftsfragen von ihm haben wollte. Vielleicht ist die Beratung Bolls so etwas wie Gäbs Alterswerk. Er konzentriert sich nun auf seine Sportart Tischtennis, in der er viermal Deutscher Meister war, im Herren-Doppel und im Gemischten Doppel. Jetzt hat er noch einmal einen neuen Partner gefunden.

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