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Sport: Das Volk kauft David Beckham

Italiens Fußballklubs dürfen neue Stars von der Steuer abschreiben

Rom. Ruud Gullit hat ein ziemlich klares Bild von Italien. „Hier ist alles möglich. Man darf sogar eine Autobahn besitzen“, sagte der ehemalige holländische Starfußballer der römischen Tageszeitung „La Repubblica“. Gullit, der lange beim AC Milan spielte, hat Recht. Vor allem, was den italienischen Fußball angeht. Denn da ist alles anders als sonstwo auf der Welt.

Eigentlich sollte Gullit nicht übers große Allgemeine reden, sondern über etwas Konkretes. Im Interview wurde er nach Adriano Galliani gefragt, dem engen Freund von Regierungschef Silvio Berlusconi. Der hat im italienischen Fußball eine umstrittene Doppelfunktion. Einerseits ist er Berlusconis Statthalter beim AC Milan, andererseits seit einem halben Jahr Chef des Ligaausschusses. Ein Umstand, der Roma-Präsident Franco Sensi erzürnt. „Galliani hat einen Interessenkonflikt“, kritisierte der Römer. Im Kleinen spiegele Galliani den großen Interessenkonflikt von Berlusconi, dem mächtigen Regierungschef und Medienmogul, wider. Gullit dagegen blieb diplomatisch und beließ es bei der Antwort mit der Autobahn.

Die privaten Synergieeffekte zwischen Fußballmanager Galliani und dem regierenden Berlusconi zahlen sich aus. Schließlich erfordert die Geldnot des italienischen Fußballs viel Erfindungsgabe der Regierungsstellen. Ein entsprechendes Steuerdekret, das den geliebten Fußball vor dem Ruin retten soll, wurde nun in einer hektisch angesetzten Parlamentsdebatte verabschiedet.

Die EU hat Bedenken

Die Gesetzesnovelle hat eine Besonderheit: Die Klubs dürfen die Investitionen für neue Spieler auf zehn Jahre abschreiben. Durch diesen Erlass können sie etwa 850 Millionen Euro Verlust wieder gutmachen, errechneten Experten. Ohne diese Möglichkeit müssten viele Klubs, die teilweise auch an der Börse notiert sind, entweder kräftig sparen oder um die Lizenz für die kommende Saison fürchten. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti warnte jedoch, noch bevor das Dekret endgültig verabschiedet wurde: „Auf den ersten Blick sieht es so aus, als enthalte diese Maßnahme staatliche Zuwendungen und als sei sie auf EU-Ebene wettbewerbsverzerrend.“ Montis Warnungen verhallten ungehört. Auch der Präsident der Mailänder Börsenaufsicht, Luigi Spaventa, kritisierte vergeblich das Gesetz.

Die Fußballlobby konnte dagegen ihr Glück kaum fassen. Fußballverbandschef Franco Carraro begrüßte die staatliche Rettung und forderte noch mehr. Carraro formulierte das so: „Damit allein werden wir nicht die wirtschaftlichen Probleme der Fußballklubs lösen, aber es ist zumindest der Beginn einer Sanierungsmaßnahme.“ Angesichts solcher Aussagen wird klar, wie schlecht es den italienischen Fußballvereinen derzeit gehen muss. Experten schätzen, dass die Profiklubs bis Ende dieser Saison ein Defizit von zwei Milliarden Euro anhäufen werden. Angesichts der dramatischen Lage trieb die Regierung das Gesetz mit Eile durchs Parlament – trotz verfassungsrechtlicher Bedenken von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi.

Nun also hat Regierungschef Silvio Berlusconi seinem AC Mailand wieder einen Gefallen getan – schließlich kommt auch sein Klub bei Spielerkäufen in den Genuss der Steuervergünstigungen. Im Gespräch sind sogleich neue Stars, etwa der englische Mittelfeldstar David Beckham, der sich mit seinem Trainer Alex Ferguson überworfen hat und nun nach Mailand ziehen soll. Wie werden wohl die anderen europäischen Spitzenklubs auf diese wettbewerbsverzerrenden Steuervergünstigungen reagieren ? Und was wird sein, wenn EU-Kommissar Monti das Dekret für nichtig erklärt? Bis dahin, so hoffen die Klubs, sind aber die Lizenzen für die neue Saison schon erteilt. Und das Spiel um Macht und Meisterschaft kann weitergehen.

Vincenzo Delle Donne

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