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DAS SPIEL MEINES LEBENS: GÜNTHER JAUCH: 26.05.1999: Manchester United – FC Bayern 2:1 Günther Jauch, 55, Moderator

Aufgezeichnet von Dirk Gieselmann. Ich musste damals die Übertragung des Finals zwischen Bayern und ManU von Barcelona aus moderieren.

Aufgezeichnet von Dirk Gieselmann.

Ich musste damals die Übertragung des Finals zwischen Bayern und ManU von Barcelona aus moderieren. Es war ein Prestigeduell. Und die Bayern waren die gesamte Spielzeit über die bessere Mannschaft, sie wirkten souveräner. Die Körpersprache von Stefan Effenberg und Mario Basler signalisierte: Sie fühlen sich wohl in diesem Spiel. Dass die Begegnung in der Nachspielzeit noch kippen könnte, hätte wirklich niemand für möglich gehalten. Das sind dann die Momente, in denen man kopfschüttelnd daneben steht. Da wird man selbst zum Leidenden. Marcel Reif, der das Spiel kommentierte, sagte nach dem Schlusspfiff: „Wissen Sie was? Ich habe gar keine Lust, das hier zu analysieren.“ Dann gab er ab ins Studio – zu mir, und ich wusste auch nicht, wohin damit! Marcel hatte ja Recht. Ich zerknüllte meine Notizen vom Spiel, das konnte man ja nicht mehr Punkt für Punkt abarbeiten. Es ging nun nicht mehr um die chronologische Aufarbeitung eines Spiels, sondern um die Sichtbarmachung eines Schockzustandes, das Aufgreifen eines millionenfachen Aufstöhnens. Als Experte an diesem Abend war Franz Beckenbauer bei mir in der Sendung. Erst kurz nach dem Abpfiff kam er hinzu – und da war es gefährlich: Franz war ganz, ganz ruhig. Er war an der Grenze zur Abwesenheit. Man hat gesehen, wie diese Niederlage in ihm gearbeitet hat. Er wusste zwar, dass im Fußball alles möglich ist. Aber dieses 1:2 ging gegen seine Überzeugung, wie souverän ein FC Bayern die letzten Minuten eines Finals zu bestreiten habe. Er war sichtlich geschockt. Ich dachte nur, oh Gott, jetzt sollst du noch 90 Minuten analysieren, diskutieren, Ausschnitte anschauen. Und wie gesagt: Der Beckenbauer hatte einfach keine Lust mehr. Seltsamerweise habe ich den Anzug noch, den ich damals in Barcelona trug. Der überlebt jede Entrümpelung meines Kleiderschranks, obwohl ich nicht einmal weiß, ob er mir noch passt. Aus Pietät ziehe ich ihn aber nicht mehr an.

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