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Sport: Demonstration für Olympia

Der Sport will die Leipziger Bewerbung aus der Krise holen – mit neuer Einigkeit und neuen Köpfen

Berlin. Im Leipziger Rathaus war am Montag die wichtigste Tür fest verschlossen. Im Chefbüro im zweiten Stock debattierte Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee mit seinen engsten Mitarbeitern sechs Stunden lang über die Leipziger Olympiabewerbung und die ungeklärten Finanzströme in seinem Rathaus. Nach der Sitzung schickte er eine Botschaft ins Land, die Mut machen sollte. „Auch wenn das Schiff Olympia sich auf schwerer See befindet, werden wir nicht aufgeben und in den Heimathafen zurückkehren“, sagte Tiefensee, der bei weiteren Skandalen um sein Amt fürchten muss.

Leipzig will sich also weiterhin um Olympia 2012 bewerben. Und der Sport und die Bundespolitik haben die Hoffnung auf die Rettung des krisengeschüttelten Projekts noch nicht ganz aufgegeben. Das ergab eine Umfrage des Tagesspiegel unter Sportpolitikern und Funktionären. „Ich glaube immer noch an die Chance, Olympia nach Leipzig zu holen“, sagte Dieter Graf Landsberg-Velen, der Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK). Der Funktionär formulierte Bedingungen für einen Neuanfang. „Das Wichtigste ist, dass in Leipzig nicht noch mehr Leichen im Keller liegen“, sagte Landsberg-Velen. Nach dem Finanzskandal im Leipziger Rathaus (siehe unten) müsse jede Transaktion überprüft werden. Das ist auch die Forderung von NOK-Präsident Klaus Steinbach. „Es ist wichtig, jetzt die Bewerbung wieder in Schwung zu bringen“, sagte Steinbach. Voraussetzung dafür seien „Offenheit und Transparenz“ in Leipzig.

Viele Sportfunktionäre setzen nun auf aktive Hilfe der Bundesregierung. Landsberg- Velen sagte: „Die entscheidende Frage ist: Wie kann die Bewerbung als Sache der ganzen Nation positioniert werden?“ Hier könne die Regierung einen „entscheidenden Beitrag leisten“, etwa durch die Einberufung eines Olympiagipfels. Bislang hat Bundeskanzler Gerhard Schröder einen solchen Gipfel nur ankündigen lassen, das Spitzentreffen von Sport, Politik und Wirtschaft soll frühestens im Januar nächsten Jahres stattfinden, heißt es in Regierungskreisen.

Einen Gipfel zur Rettung von Olympia in Leipzig forderten am Montag Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Verkehrsminister Manfred Stolpe. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigte, er stehe zur Bewerbung. „Hindernisse sind dafür da, um sie aus dem Weg zu räumen“, ergänzte Innenminister Otto Schily.

Am Wochenende war Schilys Staatssekretär Göttrik Wewer nach Leipzig gefahren, um das Krisenmanagement zu unterstützen. Bei einer Strategiesitzung mit Tiefensee und führenden Sportfunktionären versicherte er nach Angaben von Teilnehmern, „die Regierung werde alles tun, damit es wieder aufwärts geht“. Nun wird nach einer externen Spitzenkraft gesucht, die die Bewerbung national und international repräsentiert. Diese Personalie soll bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung der Olympiagesellschaft am 19. November geklärt werden. Steinbach sagt: „Die Rettung darf nicht lange dauern.“

Aus Sicht von Sportfunktionären ist ein Neuanfang allerdings nur möglich, wenn sich auch der Sport einig ist. „Einigen Leuten, die sich verbal von Leipzig abzusetzen versuchen, ist offenbar nicht klar, welchen Schaden der Sport bei einer gescheiterten Bewerbung nimmt“, sagte Landsberg-Velen. Gemeint ist mit dieser Kritik offenbar Manfred von Richthofen. Der Chef des Sportbundes sprach sich auch am Montag dafür aus, bei weiteren Skandalen „die Reißleine zu ziehen“ (siehe Interview). Doch Steinbach entgegnet: „Die Einheit des Sports muss man nicht nur wollen, sondern auch leben.“

Ebenfalls wichtig ist aus Sicht vieler Beobachter Einigkeit innerhalb Sachsens. Zuletzt hatte die politische Konkurrenz zwischen Leipzigs Bürgermeister Tiefensee (SPD) und Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) die Bewerbung überlagert. Doch nach den Rücktritten von Milbradts olympischem Staatssekretär Köhler und Tiefensees Olympiabeauftragtem Jung bemüht sich auch die sächsische CDU um einen olympischen Frieden. Milbradt erklärte: „Wir werden die Hoffnungen der Menschen nicht enttäuschen.“

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