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Sport: Den Bruder ärgern

Von Hartmut Moheit Nürburgring. „Wie war das“, fragt Ralf Schumacher einen seiner englischen Kollegen, „wer hat längst die Heimreise von der Fußball-WM angetreten, ihr oder wir?

Von Hartmut Moheit

Nürburgring. „Wie war das“, fragt Ralf Schumacher einen seiner englischen Kollegen, „wer hat längst die Heimreise von der Fußball-WM angetreten, ihr oder wir?“ Der Williams-Mechaniker lächelt nur etwas verlegen, dreht sich um und geht. „Gewonnen ist gewonnen“, kommentiert Schumacher schnell noch den schwachen – aber erfolgreichen – Auftritt der deutschen Elf in Südkorea, und er fühlt sich in diesem Augenblick ganz offensichtlich recht wohl.

Ob das nach dem Großen Preis von Europa auch noch so sein wird? Ralf Schumacher lacht. „Wenn wir konzentriert an die Sache herangehen, können wir vielleicht Ferrari ärgern.“ Ferrari ärgern, das heißt vor allem, den großen Bruder Michael hinter sich lassen. In diesem Rennen auf dem Nürburgring, wo es noch nie einen BMW-Sieg gegeben hat, wäre das eine besondere Genugtuung für den jüngeren Bruder des Weltmeisters. Nicht etwa, dass sich Ralf Schumacher und der Kolumbianer Juan Pablo Montoya im BMW-Williams noch eine Chance auf den WM-Titel ausrechnen. „Wir haben beide 43 Punkte Rückstand auf Michael, da muss man schon realistisch sein. Aber an sehr gute Platzierungen und auch Siege in den restlichen neun Rennen der Saison, ja, daran glauben wir schon“, sagt Ralf Schumacher.

Warum nicht schon am Nürburgring? Dort, wo Ralf Schumacher sich im vergangenen Jahr von seinem Bruder nicht gerade fair behandelt fühlte. Dieser hatte ihn direkt nach dem Start derart abgedrängt, dass Ralf Schumacher mit seinem Wagen beinahe in den Beton gekracht wäre. „Brüder im Krieg“ titelte daraufhin das englische Boulevardblatt „The Sun". Das war gewiss übertrieben formuliert, aber Ralf Schumacher hat den brüderlichen Rempler bis heute nicht ganz vergessen. „Wenn er mich noch einmal so abdrängt, dann werde ich sauer. Es kann nicht sein, dass er ein Rennen nach dem anderen gewinnt.“ So wurde er vor ein paar Tagen in der Münchner „Abendzeitung“ zitiert.

Diese Reaktion ist wohl weniger auf familieninternen Neid zurückzuführen als vielmehr darauf, dass hinter den überragenden Ferraris schon der Machtkampf für die kommende Saison begonnen hat. Es geht um eine psychologische Aufmunterung, die alle Teams nach sechs Saisonsiegen durch Michael Schumacher dringend nötig haben. Alle warten sie auf eine Schwäche, auf eine angreifbare Stelle beim viermaligen Weltmeister, aber eigentlich tobt der Kampf um die Position hinter Ferrari. Ob BMW-Williams, McLaren-Mercedes, die immer besser werdenden Renaults oder auch das Schweizer Sauber-Team, sie alle kommen sich in diesem Kampf immer näher.

Nicht das Gesamtbild hat sich damit geändert, vielmehr sind es die Abstände. Noch ist BMW der Verfolger Nummer eins von Ferrari. Wenn aber, wie beim letzten Rennen in Kanada geschehen, Juan Pablo Montoyas Motor plötzlich explodiert und sich auch das Aggregat von Ralf Schumacher mit einem Feuerstoß verabschiedet, dann sieht die Konkurrenz sofort ihre große Chance. Etwa die Silberpfeile von Mclaren-Mercedes mit David Coulthard und Kimi Räikkönen. Gemeinsam ist ihnen allen neben der Nervosität nur eines: das Gefühl der Chancenlosigkeit hinter Ferarri.

So dürfte es auch beim Großen Preis von Europa nur einen Unsicherheitsfaktor für Ferrari geben: den Start.. In der Eifel wird es diesmal extrem eng zugehen. Nach dem Umbau wurde die erste Kurve noch schärfer – es besteht erhöhte Crashgefahr. Und da ist es wie mit dem Spiel der Deutschen gegen die USA bei der Fußball-Weltmeisterschaft: Am Ende zählt nur, wer ungeschoren durchkommt – wie er das gemacht hat, zählt nicht. Ralf Schumacher denkt so.

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