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© ddp

Der Absturz: Hertha fahndet nach Ursachen

Hertha ist verzweifelt: Das Team spielt so, das Management handelt so – ein Konzept gegen die Krise liegt nicht bereit.

Berlin - Der pure Verzweiflungsfußball, der Hertha BSC am Sonntag beim 0:4 gegen Freiburg in die schwerste Krise seit Jahren geführt hat, ist am Montagvormittag erst einmal gestoppt worden. Trainer Lucien Favre wählte für seine Spieler einfachste Übungen mit Ball. Es sollte sich in der gesamten Einheit auf dem Trainingsgelände von Vorteil erweisen, dass es für seine völlig verunsicherten Kicker keine Gegenspieler gab. Insofern erfüllte das Training am Tag danach einen ersten, primären Zweck: Der Ball ist nicht Herthas Feind.

Nach den Eindrücken, die knapp 40 000 Stadionbesucher beim 0:4 gegen den SC Freiburg am Vorabend gewinnen mussten, ist das schon eine erstaunliche Erkenntnis. Nein, Hertha hat das Fußballspielen nicht ganz verlernt, auch wenn es nach fünf Niederlagen in Folge genau danach aussieht. Aber ja, der Mannschaft von Favre ist so einiges von dem abhanden gekommen, was sie in der Vorsaison noch stark gemacht hatte. Trotzdem gibt es nicht die eine Antwort auf die Frage: Warum konnte Hertha so abstürzen?

Hertha ist abgestürzt, so viel steht fest. Die Mannschaft hat in Woronin, Pantelic und Simunic nicht nur gute Fußballer, sondern so etwas wie ihr Rückgrat verloren. Der verbliebene Rest des Personals, beileibe nicht nur kickende Stümper, ist derzeit nicht mehr als eine beliebige Masse, die durch die Spiele wankt. „In unserer Situation ist jeder Gegner gefährlich“, sagt Favre zwei Tage vor dem DFB-Pokalspiel beim Zweitligisten 1860 München. Das hört sich nicht nur gefährlich an, sondern ist es auch. Selbst unterklassige Vereine können Hertha im angehenden Herbst 2009 in arge Verlegenheit bringen. Der Bundesligist ist von oben bis unten, von der sportlichen Leitung bis hin zum Kleiderwart tief verunsichert. Nichts scheint mehr so zu sein, wie es vor wenigen Wochen noch war. „Wir haben jetzt die erste schwierige Situation“, sagte Manager Michael Preetz, wollte diese Einschätzung allerdings auf Favres Amtszeit bei den Berlinern verstanden wissen.

Zu dieser Situation gehört, dass Hertha nach Ursachen für den Absturz fahndet, wobei die Gesichter und die Sprache der fahndenden Personen erahnen lassen, dass sie bisher nicht fündig geworden sind. Auf dem Spielfeld sieht es dann so aus wie gegen Freiburg. Favres Mannschaft wollte nicht nur auf den Gegner reagieren, sondern das Spiel gern selbst aktiv gestalten. Das allerdings konnte die Mannschaft schon im Vollbesitz ihrer personellen Stärke und spielerischen Kräfte nicht, als an den beiden letzten Spieltagen der Vorsaison die Teilnahme an der Champions League verschludert worden war.

„Wir waren mal stark in der Balleroberung“, sagte Favre gestern nur. Dabei hätte der Schweizer beim Aufzählen der Unzulänglichkeiten locker 90 Minuten füllen können. Nicht nur die Balleroberung ist schwach, sondern auch das Verhalten in Ballbesitz. Kein Spieler erreicht Normalform, weshalb die gesamte Spielanlage konfus bleibt. Gegen den Aufsteiger spielte Hertha wie paralysiert. Es war kein Spielidee erkennbar, von einem taktischen Plan mal ganz zu schweigen.

„Wir können das nicht hinnehmen, was gegen Freiburg geschah, aber das ist ein psychologisches Problem“, hatte Preetz direkt nach dem Spiel gesagt. Dem vorausgegangen sind ganz sicher ein paar handwerkliche Fehler in der Transferperiode. Dem Substanzverlust wurden anfänglich ein paar veranlagte U-21-Spieler sowie der schon einmal in Berlin gescheiterte Artur Wichniarek entgegengesetzt. Anschließend wurde so lange gepokert, bis der Markt leer war.

Nun wird ernsthaft in Erwägung gezogen, einen weiteren Torwart zu verpflichten. Der Stammtorhüter Jaroslav Drobny wird verletzungsbedingt noch vier weitere Spiele fehlen. Doch seinem Vertreter Sascha Burchert war gegen Freiburg noch der geringste Vorwurf zu machen. Vermutlich aber wollen Preetz und Favre sich nicht nachsagen lassen, mit einem 19 Jahre alten Ersatztorwart in diese vier entscheidenden Spiele gegangen zu sein. Laut Transferrecht kann Hertha sich jetzt nur einen arbeitslosen Torwart angeln, einen also, der bisher bei keinem Verein untergekommen ist. Stefan Wessels, Timo Ochs, Uwe Gospodarek und Jürgen Macho sind daher mögliche Kandidaten.

„Wir müssen jetzt mit dem Druck klarkommen, der auf uns lastet“, sagte Preetz, der nur bruchstückhaft sein Konzept gegen die Krise vorstellte. Um sich aus der Misere zu befreien, müsse die Mannschaft sich jetzt „die Sicherheit über den Kampf ins Spiel holen“. Es ginge nun nicht um Schuldzuweisungen, „es geht schlicht um Ergebnisse in den nächsten Spielen“, sagte Preetz. Jetzt sei auf allen Ebenen Kampfgeist gefragt. „Den wollen wir an den Tag legen, das werden wir auch müssen. Aber wir sind alle gefordert, um uns aus dieser Situation zu befreien.“

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