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Sport: Der alte Mann und der Sturm

Mit 67 Jahren kämpft Segellegende Sir Robin Knox-Johnston auf hoher See ums Überleben

Berlin - Als der Sturm seinem Höhepunkt zustrebt, ist das „Velux Five Oceans“-Rennen noch nicht einmal 48 Stunden alt. Und der Älteste im Feld der Solosegler sitzt auf seiner 18-Meter-Yacht und denkt, das kenne ich doch: „Der Wind klingt wie die Klangeffekte der BBC für die Antarktis.“ Zu diesem Zeitpunkt hat der 67-jährige Sir Robin Knox-Johnston bereits eine Beinahe-Kenterung hinter sich, der Mast, so hoch wie ein Kirchturm, wurde aufs Wasser gedrückt, die Windmessgeräte abgerissen. „Nicht viel kaputt“, sagt Knox-Johnston, den Zwischenfall herunterspielend, „ein paar Klamotten fliegen herum und die Werkzeugkiste ist umgekippt.“

Sechs Solosegler sind am Sonntag von Bilbao aus zur ersten Etappe eines traditionsreichen Hochseerennens aufgebrochen, dessen Motto lautet: Around Alone. Ein Mann, ein Schiff, fünf Ozeane. Das vom Baumittelkonzern Velux gesponserte maritime Abenteuer soll das halbe Dutzend Teilnehmer – zwei weitere werden mit Konstruktionsproblemen noch in Bilbao festgehalten – in den nächsten Monaten über Fremantle, Australien, und Newport, USA, nach Spanien zurückführen. Sicher ist das nicht. Die globale Ozeanhatz ist für viele Ausfälle berüchtigt. Auch diesmal zeigte sie früh ihr grimmiges Gesicht. Die Flotte der Open-60-Rennmaschinen geriet nach wenigen hundert Meilen in einen Orkan mit Windgeschwindigkeiten von über 120 Stundenkilometern. Zwölf Meter hohe Wellen türmten sich an der Nordwestecke Spaniens auf, die Wellenkämme abgerissen vom Wind, die Gischt so dicht, dass man kaum atmen konnte. Schon wird das Unwetter mit dem Heuler verglichen, der beim Sydney-Hobart-Race 1998 sechs Menschen getötet hatte.

Für die einsamen Skipper kam das Unwetter denkbar ungelegen. Die meisten hatten das Cap Finisterre noch vor sich, aber der Wind schnitt ihnen den Weg ab. Und sie fühlten sich verlassen auf ihren Booten so kurz nach dem Start. Die dünnwandigen Fiberglas-Carbon-Konstruktionen sind zwar für das schwere Wetter im antarktischen Südozean gebaut und können dort Geschwindigkeiten von bis zu dreißig Knoten erreichen. Aber sie erweisen sich als ungeeignet, Stürme frontal zu nehmen und über die Wellenberge hinwegzugleiten. „Das Hauptproblem ist, dass man diese Formel-1-Boote nicht anhalten kann. Sie bohren sich in die See, es ist knochenbrecherisch“, sagt Renndirektor David Adams. So dezimierte sich das Teilnehmerfeld rapide. Die beiden Mitfavoriten Alex Thomson (Hugo Boss) und Mike Golding (Ecover) liefen wegen technischer Probleme Nothäfen an.

Unter denen, die zunächst durchhielten, war auch der Mann, der als Pionier dieser Art gilt, die Welt zu umrunden. Sir Robin Knox-Johnston hat den Globus als erster Einhandsegler umkreist, ohne zwischendurch an Land zu gehen. Das war 1968 beim Golden Globe Race. Neun Segler machten sich auf den Weg zur ersten Non-Stop-Regatta, nur Knox- Johnston kam an. Man hatte ihn bereits für tot gehalten, da er sich wegen eines defekten Funkgeräts achteinhalb Monate nicht verständigen konnte. Sein hölzerner kleiner Zweimaster Suhaili, den er selbst gebaut hatte und dessen Spitzengeschwindigkeit bei sieben Knoten lag, überstand mehrere Orkane und segelte nach dem Verlust der Selbststeueranlage den letzten Teil des 30 000-Meilen- Trips nur mithilfe ausbalancierter Segel. In seiner Heimat wurden längst Nachrufe auf den Verschollenen geschrieben, als die Suhaili nach 312 Tagen am Horizont vor Falmouth auftauchte.

Seither ist Sir Robin englisches Nationalheiligtum. Der ehemalige Marinekadett und Handelsoffizier sagte später, dass die Weltumsegelung „getan werden musste, egal von wem, Hauptsache von einem Briten“. In den folgenden Jahren nahm er immer wieder an Hochseeregatten teil. Segelgeschichte schrieb er erneut 1994, als er an Bord des Katamarans Enza in 74 Tagen um die Welt raste und einen neuen Rekord aufstellte. Dass er, der graubärtige Seebär, der von sich selbst behauptet, „nicht sehr gut in Mannschaftssportarten zu sein“, nun in den Rennzirkus der Einzelgänger zurückkehrt, hat mit dem Tod seiner Frau und Jugendliebe Suzanne zu tun, die 2003 an Krebs starb. Sie hatte sich 1964 zwischenzeitlich von ihm scheiden lassen, weil er zu eigenwillig seiner maritimen Leidenschaft nachgegangen war. Dem „Velux Five Oceans“-Race stand der Geschäftsmann zunächst als Veranstalter vor. Doch das genügte ihm nicht. Er beschaffte sich ein Boot und gewann ein auf ältere Jahrgänge spezialisiertes Versicherungsunternehmen als Sponsor. „Wenn ich es jetzt nicht mache, bin ich zu alt.“

Obwohl der gebildete, offenherzige und militärisch-korrekte Mann sich vorgenommen hat, die Sache locker anzugehen, steckt der Ehrgeiz in seinen Knochen. „Was ich überhaupt nicht vertragen kann, sind Boote vor mir“, erklärte er vor dem Rennen. „Wenn der Startschuss ertönt, geht der Spaß zum Teufel und ich will nur noch gewinnen.“ Die körperlichen Defizite hofft er durch seine Erfahrung wettzumachen: „Einhandsegeln ist wie Schach mit Liegestützen.“ Und einen guten Untersatz hat er mit der Saga auch. Die ehemalige Fila gewann dieses Rennen 1999 mit Giovanni Soldini als Skipper.

Trotzdem lag der Oldie schon nach zwei Tagen 80 Meilen hinter dem führenden Bernard Stamm an letzter Stelle. Der 42 Jahre alte Titelverteidiger aus der Schweiz kam am besten mit den harschen Bedingungen zurecht. Stürme gelten als seine Spezialdisziplin. Als Einziger hielt er sich dicht unter Land, sodass die Wucht des Sturms abgemildert wurde. Ihm folgt nur noch der japanische Außenseiter Kojiro Shiraishi (Spirit of Yukoh).

Denn selbst Knox-Johnston – nach dem Ausfall der Konkurrenz auf den zweiten Platz vorgerückt – bekam erhebliche Probleme. Er löste sich von der Küste, wich weit nach Norden aus und mailte an www.velux5oceans.com: „Kein Rennen mehr, nur noch Überleben, aber alles okay. Irish Coffee.“ Schließlich kehrte auch er um, da sich das Großsegel aus der Mastschiene gelöst hatte. Es ist erlaubt in diesem Rennen, Hilfe von außen anzunehmen. Sie wird mit einer Strafzeit von zwei Tagen belegt. Wer weiß, am Ende könnte diese Zwangspause allen Beteiligten gelegen kommen. Denn das nächste Sturmtief rollt bereits heran.

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