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Sport: Der entfesselte Stürmer

Gegen Frankreich will Miroslav Klose in der großen Fußballwelt ankommen

Möglicherweise ist es bereits eine Form von Altersmilde, jetzt, da der bisher beste deutsche Stürmer seinen 60. Geburtstag gefeiert hat. Früher war Gerd Müller nicht so nachsichtig mit seinen Nachfolgern, vor der WM 2002 zum Beispiel hat er Oliver Bierhoff geradezu müllermäßig („kann nix“) abgekanzelt. Ganz anders hört sich das an, wenn Gerd Müller über Miroslav Klose spricht: Den habe er früher oft kritisiert, „aber seit er in Bremen ist, hat er sich um hundert Prozent verbessert. Der gefällt mir jetzt richtig gut.“ Dass er mit solchen Äußerungen die Öffentlichkeit verschreckt, muss Müller nicht fürchten. Klose zu loben liegt zurzeit voll im Trend.

Thomas Schaaf, sein Trainer bei Werder Bremen, hält Klose für den komplettesten Stürmer des Landes, sogar Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern hat den Bremer am vergangenen Wochenende nach dem Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga ausdrücklich gelobt, und auch Michael Ballack, der Kapitän der Nationalmannschaft, verbindet mit der Rückkehr Kloses ins Team die Hoffnung, „dass wir vielleicht stärker und gefährlicher im Angriff werden“.

Solche Hoffnungen sind zweifellos gerechtfertigt. Einerseits. Klose ist der erfolgreichste Stürmer der Bundesliga (zwölf Tore in zwölf Spielen). Andererseits bestand bisher eine deutliche Diskrepanz zwischen Kloses Leistungen im nationalen Vergleich und denen unter verschärften internationalen Bedingungen. In der Nationalmannschaft, für die der Stürmer am Samstag in Frankreich (21 Uhr, live im ZDF) sein 50. Länderspiel bestreitet, hat er seit dem 16. Dezember 2004 kein Tor mehr erzielt.

Trotzdem gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass Klose nun endlich die Erwartungen erfüllen kann, die er einst selbst geweckt hat. Seit der Weltmeisterschaft 2002 gilt er als künftiger Weltstar, doch die Zukunft ist nie richtig zur Gegenwart geworden. Damals, in Asien, erzielte Klose in den ersten drei WM-Spielen fünf Tore, und bis zum Finale hatte er die Möglichkeit, mit gerade 24 Jahren Torschützenkönig des Turniers zu werden. Möglicherweise aber hat der rasante Start der Entwicklung seiner Karriere mehr geschadet als genutzt, und möglicherweise hat er die Weltmeisterschaft erst jetzt endgültig verarbeitet. „Er ist mit Sicherheit weiter als bei der WM“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, der 2002 noch mit ihm zusammengespielt hat.

Am deutlichsten zeigt sich Kloses Wandel daran, dass die SG Blaubach-Diedelkopf in den Medien nicht mehr vorkommt. Der Verein mit dem lustigen Namen, in dem Klose das Fußballspielen gelernt hat, musste immer als Synonym für seine Provinzialität herhalten. Klose wohnte in der Pfalz (Kusel), arbeitete in der Pfalz (Kaiserslautern), und dass jenseits der Pfalz noch eine Restwelt existierte, wusste er wohl nur vom Hörensagen. Erst mit seinem Wechsel zu Werder Bremen hat sich Klose von diesen Fesseln gelöst. Wie wichtig dieser Schritt hinaus in eine etwas größere Welt war, hat er selbst wohl erst hinterher festgestellt. Heute sagt er: „Ich war ein Jahr zu lang in Kaiserslautern.“

In Kaiserslautern spielte Klose gegen den Abstieg, mit Bremen in der Champions League. „Er ist in den internationalen Spielen gereift“, sagt Bierhoff. „Früher hat er häufig gegen so genannte kleine Gegner getroffen, heute schießt er auch gegen große Gegner wichtige Tore.“ Auch seiner Persönlichkeit hat der Ortswechsel nicht geschadet. Wider das allgemeine Murren hat sich Klose zuletzt sehr deutlich als Freund der Klinsmannschen Fitnessübungen positioniert, und angesichts der jugendlichen Mitspieler in der Nationalmannschaft versucht er mit nun 27 Jahren auch zunehmend, seiner Führungsrolle gerecht zu werden. „Ich fühle mich im Moment sehr sicher“, sagt er .

Das Bild, das sich das Publikum von ihm gemacht hat, war offensichtlich nur ein kleiner Ausschnitt eines viel größeren Werks. Weil Klose bei der WM 2002 alle fünf Tore mit dem Kopf erzielt hatte, galt er als Kopfballspieler mit arg limitierten sonstigen Fähigkeiten. „Er ist auch ein sehr guter Kombinations- und Eins-gegen-Eins-Spieler geworden“, sagt Joachim Löw, der Assistent von Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Am Wochenende erzielte Klose gegen die Bayern und seinen Gegenspieler Bastian Schweinsteiger zwar ein Kopfballtor, sehr viel höher aber war der Schwierigkeitsgrad, als er auf reduziertem Raum erst Lucio und dann Valerien Ismael umdribbelte. Der Bremer Trainer Thomas Schaaf hat einmal über Klose gesagt: „Er weiß gar nicht, wie gut er ist.“ Allerdings wird es für Miroslav Klose immer schwieriger, sich diesem Erkenntnisprozess zu entziehen.

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