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Sport: Der FC Bayern verdrängt Gedanken an Barcelona und gewinnt Selbstvertrauen für die Bundesliga

Mister Dallas wollte nicht stören. Musste er aber, schließlich konnten Herr Sergio und Herr Linke nicht noch länger engumschlungen am Elfmeterpunkt herumliegen.

Mister Dallas wollte nicht stören. Musste er aber, schließlich konnten Herr Sergio und Herr Linke nicht noch länger engumschlungen am Elfmeterpunkt herumliegen. Hugh Dallas aus Schottland war als Schiedsrichter des Champions-League-Viertelfinales zwischen dem FC Bayern München und dem FC Porto ja auch für die ordungsgemäße Beendigung des Geschehens verantwortlich - und das sollte dann eine knappe Minute später soweit sein. 2:1 gewannen die Bajuwaren am Ende, nachdem es nach 89 Minuten und 54 Sekunden noch 1:0 gestanden hatte. Aber wenn die Bayern seit einem lauen Maiabend im Jahr 1999 in Barcelona eines wissen, dann dies: Ein Fußballspiel dauert nicht neunzig Minuten. Damals sahen sie im Finale der Champions League schon wie der Sieger gegen Manchester United aus, kassierten jedoch noch den 1:1-Ausgleich und in der Nachspielzeit gar das 1:2.

Auch diesmal passierte der Ausgleich kurz vor Schluss, nur war diesmal nicht der FC Bayern der Verlierer. Ausgerechnet Abwehrspieler Thomas Linke hatte getroffen. Den Freistoß von Mehmet Scholl "habe ich optimal auf den Kopf gekriegt", sagte er dazu. Anschließend war er dann in Schwierigkeiten geraten: "Es sind alle über mich hergefallen, aber es ist alles heil geblieben."

Für die Bayern war es anfangs bestens gelaufen. Sie zeigten sich quirlig und spielfreudig, hatten vier gute Torchancen, bevor als logische Konsequenz der Anfangsphase das 1:0 (15. Minute) durch Paulo Sergio folgte. Dann zogen sie sich zurück, und der FC Porto kam zu Chancen, weil die Abwehr-Viererkette der Bayern ihre zeitweiligen Aussetzer hatte. Insgesamt stand sie zwar gut, nur eben manchmal nicht, und die Münchner hatten Glück, dass Porto insgesamt eher durchschnittlich war. "Wir haben versucht, das Ergebnis zu halten, was nicht unbedingt das Richtige ist", gestand Thomas Linke.

Von den Portugiesen hatte sich in München ohnehin nur herumgesprochen, dass sie einen Stürmer namens Jardel haben, der seine Tore vornehmlich mit wuchtigen Kopfstößen erzielt. Fünf Sekunden vor Ablauf der offiziellen Spielzeit erzielte dann ein Spieler namens Jardel das Ausgleichstor mit einem wuchtigen Kopfball. Droben auf der Tribüne schlug Frau Beckenbauer die Hände vors Gesicht, während Herrn Beckenbauers Gesichtszüge so elastisch wirkten wie die Gebirgsmassive in seiner Kitzbüheler Heimat. Er dachte wohl an Barcelona. "Ich habe nicht an Barcelona gedacht", widersprach der Vereinspräsident Franz Beckenbauer. Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld schloss sich der Ansicht an. "Ich habe nur daran gedacht, dass eine Verlängerung viel Kraft kostet. Was soll ich an Barcelona denken. Das ist kein Thema bei uns." Irrtum. Tagesheld Linke enthüllte in gleich drei Interviews die Wahrheit: "Beim Ausgleich sind natürlich die Gedanken wieder gekommen an das Finale, in dem man alles in den letzten Minuten verspielt hat."

Doch diesmal lief es anders. Es war vor allem Sieg der Moral. Nach so einem späten Ausgleich das Spiel noch einmal herumzubiegen, "das war kein Bayern-Dusel, sondern die Überzeugung der Mannschaft", wie Hitzfeld herausstrich. Und das alles ohne Stefan Effenberg, die Leitfigur. Das nötigte die Bayern neben der Viererkette in der Abwehr auch in der Offensive zu Umstellungen. Der Effenberg-Ersatz hieß "Scholljeremiesfink", und diese Dreifaltigkeit ersetzte Effenberg ganz ordentlich. Mehr aber auch nicht. "Effenberg war ein Thema in den Köpfen der Spieler", wusste Hitzfeld. Er hat sich gestern für eine gezielte Verstärkung des Spielerkaders zur neuen Saison ausgesprochen und zugleich die Termingestaltung durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) kritisiert. Nach dem Ausfall von Effenberg müsse sich der Verein "Gedanken machen, wie wir das in Zukunft besser kompensieren", erklärte er vor der Begegnung seines Klubs bei Borussia Dortmund. Er wies auch auf die Abgänge der Kreativspieler Lothar Matthäus und Mario Basler hin. "Kein Verständnis" bringt Hitzfeld für die Ansetzung des DFB-Pokalfinals am 6. Mai auf. Die Begegnung findet zwischen den beiden Champions-League-Halbfinals statt.

Wie auch immer: In diesen Halbfinals steht der FC Bayern nun, nur das zählt für die Bayern derzeit. Man kann Hitzfeld wohl glauben, wenn er sagt: "Das gibt Selbstbewusstsein auch für die Bundesliga." Bayer Leverkusen sollte sich auf hartnäckige Münchner gefasst machen. Hitzfeld läutete schon den verbalen Endkampf ein: "Wir haben lieber große Belastungen und sind in der Spitze Europas dabei. Andere können sich ausruhen und haben weniger Erfolg." Wenn das kein Seitenhieb war.

Detlef Dresslein

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