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Sport: Der Gewalt ausgeliefert

Südafrika will zur WM die Prostitution erlauben

Am 7. Juli 2000 stand fest, dass Deutschland die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 austragen wird. Am 1. Januar 2002 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das die Prostitution als Beruf anerkennt. Am 15. Mai 2004 hieß es vom Fußball-Weltverband Fifa in Zürich, dass Südafrika die Fußball-WM 2010 austragen wird. Und so läuft in den Vorbereitungsmonaten auch in dem Land an der Südspitze Afrikas die Debatte über die mögliche Legalisierung der Prostitution – ein Geschäft, das von den Fußballfans profitieren dürfte. Ein Geschäft aber auch, dass eines der wichtigsten Probleme des WM- Austragungslandes berührt: Aids.

Die Diskussion um eine Anerkennung des Sexgewerbes hat in Südafrika allerdings ausgerechnet ein Mann angefangen, der inzwischen wegen Bestechlichkeit des Amtes enthoben wurde: der frühere Polizeichef und Interpol-Mann Jackie Selebi. In einem Atemzug mit dem Vorschlag, die Gesetze für den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit während der Weltmeisterschaft zu lockern, thematisierte er auch das Prostitutionsverbot. Anschließend griff der einflussreiche ANC-Abgeordnete George Lekgetho das Thema auf und löste eine weitere Welle der Empörung aus. Eine Legalisierung der Prostitution, sagte Lekgetho, würde sicherlich dazu beitragen, dass zunächst die Fußball-WM ein Erfolg werde und langfristig die hohen Vergewaltigungszahlen in Südafrika gesenkt werden könnten. Die südafrikanische Frauenrechtlerin Carol Freeman schrieb in ihrem Blog dazu: „Die Voraussetzungen für diese Annahme sind erstens, dass Männer nicht in der Lage sind, ihre Sexualität zu kontrollieren, zweitens, dass Vergewaltigung ein natürlicher Ausweg ist, wenn ein sexuelles Bedürfnis nicht befriedigt wird, und drittens, dass die Regierung dafür sorgen muss, dass diese unbefriedigten sexuellen Bedürfnisse auch im Namen des Gesetzes befriedigt werden können – alles kompletter Unsinn.“ Freeman setzt sich auch für die „One of Nine“-Kampagne ein, die ins Leben gerufen wurde, weil nur eines von neun südafrikanischen Vergewaltigungsopfern Anzeige bei der Polizei erstattet.

Das Problem der Debatte in Südafrika ist, dass die von vielen Politikern vorgebrachten Gründe für die Legalisierung der Prostitution ins Absurde kippen und so den Kern der Angelegenheit verschleiern: Bis jetzt arbeitet die ungezählte Gruppe der Prostituierten in Südafrika ohne rechtliche Grundlage. Das bedeutet, dass sie jeder Form von Gewalt, zum Beispiel von Zuhältern, Freiern und kriminellen Banden, schutzlos ausgeliefert ist. Ein Gesetz, ob nun aus Anlass der WM erlassen oder nicht, könnte das ändern.

Bisher laufen die Frauen und Männer außerdem Gefahr, bei einer Polizeirazzia verhaftet und danach verurteilt zu werden – wie übrigens auch ihre Freier. So gab es im vergangenen Herbst in Kapstadt eine groß angelegte „Säuberungsaktion“, die nicht nur von Organisationen wie der „Sex Workers Education and Advocacy Task Force“ scharf kritisiert wird. „Je heftiger das Gewerbe kriminalisiert wird, desto schwieriger wird es für die Prostituierten, Safer Sex auch wirklich durchzusetzen“, sagte die Wissenschaftlerin Marlise Richter der Nachrichtenagentur AFP. In einem Land, in dem 5,7 Millionen von 48 Millionen Einwohnern das HI-Virus in sich tragen, sei ungeschützter Geschlechtsverkehr unverantwortlich gegenüber sich selbst und anderen.

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