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Sport: Der Guttenberg des Sports

Jan Ullrich will zurück in die Gesellschaft. Ein Urteil lässt auf sich warten, sein Geständnis auch.

Berlin - Die Vergangenheit wirkt auf die Zukunft, egal, wie die Gegenwart aussieht. Dennoch bieten sich manchmal Chancen, neu anzufangen. Ganz von vorn kann das der ehemalige deutsche Sportheld Jan Ullrich nicht, aber fast fünf Jahre nach seinem Rücktritt wartete der Gewinner der Tour de France von 1997 am Donnerstag auf ein Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs Cas, der vor allem über Ullrichs Optionen im Radsport für die Zukunft entscheiden sollte. Der Cas hatte darüber zu befinden, ob Einsprüche des Radsport-Weltverbands UCI und der Schweizer Antidoping-Agentur gegen die Einstellung von Ullrichs Doping-Verfahren durch den Schweizer Radsport-Verband rechtmäßig sind. Allerdings erklärte sich der Cas nur teilweise für zuständig und verschob eine endgültige Entscheidung auf Mitte Januar. „Ich bin sehr enttäuscht, dass ich weitere sechs Wochen warten muss“, sagte Ullrich.

Es ist eher von symbolischer Bedeutung, ob Ullrich lebenslang als aktiver Profi und Rennstallbesitzer gesperrt ist, da er kein Engagement im Profigeschäft anstrebt. Dafür wäre ein Freispruch die Voraussetzung. Viel bedeutender als ein Urteil ist aber, dass die Öffentlichkeit nach wie vor nach dem großen Doping-Geständnis des Jan Ullrich giert – aber wohl noch warten muss. „In den nächsten sechs Wochen werden wir nichts zu den Plänen von Jan verkünden,“ sagte Ullrichs Berater Falk Nier. Trotzdem ist ein Geständnis – in welcher Form auch immer – gar nicht so unwahrscheinlich. Weil es dazu beitragen könnte, dass der frühere Liebling der Nation wieder so etwas wie salonfähig wird. Die Aufnahme des Delinquenten in die Gesellschaft ist erst dann möglich, wenn er glaubhaft bereut.

Jan Ullrich wird in der kommenden Woche 38 Jahre alt, hinter ihm liegt eine schwierige Zeit mit privaten Veränderungen und einem Burnout-Syndrom. Zuletzt hat er den Spaß am Radsport wiedergefunden, er startete etwa bei einem Jedermann-Rennen in den USA. Dort also, wo auch andere wie der vorerst gescheiterte Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg Abstand und nach einer Neuausrichtung suchen. Bei Ullrich sind seit dem Fuentes-Skandal bei der Tour de France 2006 und seiner Suspendierung mehr als fünf Jahre vergangen, er beschwerte sich von Miami aus zuletzt darüber, dass er damals an den Pranger gestellt worden sei: „Mehrere Nationen waren in den Fall verwickelt. Die Spanier sind damit entspannter umgegangen. In Deutschland wurde ich dagegen zur Schlachtbank geführt und musste sehr leiden.“

Das wichtigste seiner zahlreichen Gerichtsverfahren, das wegen Betrugs, wurde 2008 nach Zahlung einer sechsstelligen Summe eingestellt. Geblieben sind der Satz des Oberstaatsanwalts („Die Ermittlungen haben ergeben: Ullrich hat gedopt“) und der Jan Ullrichs („Ich habe nie jemanden betrogen“). Bis heute seien die Reaktionen auf Ullrich in Deutschland stark ausgeprägt, sagt Falk Nier. Sie reichten von Ablehnung bis hin zu Zuspruch bei Ullrichs Starts in Wohltätigkeitsrennen. Er hat die Deutschen zu sehr bewegt, als dass er ihnen jetzt völlig gleichgültig wäre. Wie sehr Vergangenheit und Zukunft zusammenhängen, zeigt Ullrichs neue Website, auf der seine damaligen Erfolge dominieren. Die wird er so oder so nicht los. Manchmal ist auch einfach zu viel Zeit vergangen, um neu anzufangen.

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