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Sport: Der Herr der Schnipsel

Wie Berlins Basketballer sich mit den Videos von Kotrainer Prigge auf das Play-off-Spiel gegen Leverkusen vorbereiten

Berlin. Nur einmal alle paar Monate geht Burkhardt Prigge in die Videothek und leiht sich einen schönen Film aus. Er ist alles andere als ein Videofreak – hat aber zu Hause fünf Videorekorder. Einer ist in Reparatur, vier benutzt er ständig. Hier kopiert der Kotrainer des Deutschen Basketballmeisters Alba Berlin für die Profis Spielzüge und Tricks der Gegner. Prigge ist der Herr der Schnipsel. Es gibt keinen gegnerischen Spieler, mit dessen Rebounds und Pässen der 39-Jährige nicht ein eigenes Band angefertigt hat. Bevor Alba heute im ersten Play-off-Viertelfinale die Bayer Giants Leverkusen empfängt (19.30 Uhr, Max-Schmeling-Halle; live bei TV Berlin), wird Prigge, wie immer, eine große Kiste mit Videos anschleppen. Gemeinsam mit Cheftrainer Emir Mutapcic wird er den Spielern eines nach dem anderen vorführen. Zwei Minuten Leverkusens Star Denis Wucherer zum Beispiel, zwei Minuten Topscorer Demond Greene, eineinhalb Minuten Centerspieler Ajmal Basit. „Die meisten Spieler haben eine Vorliebe, ob sie lieber links oder rechts am Gegner vorbeigehen“, erklärt Prigge, „manche werfen am liebsten von außen, andere nicht. Beim Videoschauen bekommt man ein besseres Gefühl für den Gegner als nur durch Statistiken.“ Auch gestern und vorgestern schauten die Spieler Video. Einmal Teile eines Spiels ungeschnitten, einmal verschiedene Leverkusener Spielsysteme. Neulinge bestaunen Prigges Akribie. Als Chuck Evans zu seinem ersten Videostudium bei Alba kam, wunderte er sich über Prigges Kiste und dachte, „dass er das richtige Band nicht gefunden und deshalb alle mitgebracht hat“.

Seit elf Jahren sammelt Prigge Basketballer. Er kauft oder tauscht Spielaufzeichungen oder nimmt Partien selber auf. In seinem Büro in Albas Geschäftsstelle sammelt er mehr als 4000 Kassetten in neun Regalen und unzähligen Kisten, ein Regal ist nur mit Videos aus dieser Saison gefüllt. Daneben Prigges Spezialanfertigungen: ein Regalbrett pro Team, mit den Telekom Baskets, Rhein Energie Köln, Olympiakos Piräus. Einzelne Spieler neben den bevorzugten Spielsystemen. 500 Bänder kommen im Jahr hinzu.

Doch Leverkusen, Bamberg und Oldenburg fehlen. Diese rund 80 Videos vom Viertelfinalgegner und möglichen Halbfinalkontrahenten sind bei Prigge zu Hause, wo er sie sichtet, kopiert, neu zusammenbastelt und Strichlisten mit Statistiken führt. „Rund vier Stunden dauert es, um ein Spiel in Schnipsel zu zerlegen“, sagt Prigge. Manchmal drückt er den Spielern Videos zum Heimstudium in die Hand, individuell zusammengestellt, mit allen potenziellen Gegenspielern. „Vielleicht mache ich das für das zweite Spiel am Montag in Leverkusen auch“, sagt Prigge. Das hängt davon ab, wie Alba heute spielt.

Manchmal schickt der Kotrainer ein Band mit ein paar netten Zeilen an einen Schiedsrichter. Wie etwa an den, der pfiff, weil Albas Center Jovo Stanojevic länger als die erlaubten drei Sekunden in der Zone unter dem gegnerischen Korb gestanden haben soll. „Es waren nur 2,1 Sekunden“, stellte Prigge vor seinem Videogerät fest. Als der Schiedsrichter das nächste Mal ein Alba-Spiel leitete, „hat er sich für das Video bedankt und diesen Fehler nicht mehr gemacht“.

Weil Albas Verantwortliche Hotel-Videorekordern nicht trauen, werden auch zum Spiel in Leverkusen zwei eigene Geräte mit auf die Reise gehen. Es soll ja nichts schief gehen beim Kampf um den achten Meistertitel in Folge. Die Mannschaft fliegt Dienstagmittag nach Hause, Prigge schon um sieben Uhr früh. Es könnte ja sein, dass sich das Team schon nachmittags zur Spielanalyse trifft. Und dazu braucht es Burkhardt Prigge. In der Zeit, die er durch die frühe Abreise gewinnt, kann er neue Schnipsel anfertigen.

Helen Ruwald

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