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Ein Rocker guckt in die Röhre.

© dapd

Sport: Der Kämpfer ist müde geworden

Slaven Bilic will sich mit einem Erfolg vom Amt des kroatischen Nationaltrainers verabschieden.

Was sich Slaven Bilic wünscht, ist nicht besonders originell. Aber in seinem Fall wichtig. Nach der EM wird er als Nationaltrainer Kroatiens aufhören und zu Lokomotive Moskau wechseln. Deshalb soll es eine gute EM werden. Den Mann aus Split ergreift Wehmut, wenn er über seine Zukunft spricht. Gleichzeitig sieht er müde aus, wenn er erzählt, warum er geht. „Ich werde der größte Fan Kroatiens bleiben. Da ist mein Herz“, sagt er. Trotzdem sei es Zeit zu gehen. Als U-21-Trainer fing er in seiner Heimat an. Als er Nationaltrainer wurde, „dachten viele, der ist schnell wieder weg“, sagt Bilic. Und mancher hat ihn dafür kritisiert, den Wechsel nach Moskau vor der EM verkündet zu haben. Bilic sieht darin zusätzliche Motivation.

Inzwischen hat der 43-Jährige einen Namen als Trainer, kann sich eine derartige Kraftprobe leisten. Aber er hat genug von den chaotischen Zuständen und Mauscheleien im kroatischen Verband. Nach der EM versucht man dort mit Davor Suker als Präsident und Igor Stimac als Nationalcoach einen Neuanfang. Bilic hat keine Kraft mehr für die immer neuen Kämpfe. Die hysterische Berichterstattung der kroatischen Medien, die einen ungeheuren Druck und eine überzogene Erwartungshaltung erzeugen, haben ihm zugesetzt.

Die EM wird sein Abschied, er wird wieder mehr Zeit haben, Heavy-Metal-Songs für seine Band Rawbau zu schreiben. „Musik bedeutet mir sehr viel“, sagt er. Gitarre gespielt hat er vor der EM aber selten: „Keine Zeit.“ Zu wichtig erscheint ihm sein letztes Turnier. „So ein Abschied bleibt haften“, sagt er. „Ich will mir nicht den Vorwurf machen, ich hätte nicht alles getan.“ Vor allem, weil es das Trauma des Ausscheidens bei der EM 2008 zu überwinden gilt, das ganz Kroatien in eine tiefe Depression stürzte. Damals scheiterte Bilics Team im Viertelfinale nach Elfmeterschießen an der Türkei.

Vor den Gruppenspielen gegen Italien, Spanien und Irland erscheint konzentrierte Detailarbeit insofern sinnvoll. Das Auftaktspiel gegen Irland und Giovanni Trapattoni am heutigen Sonntag in Posen (20.45 Uhr, live im ZDF) ist für Bilic das Schlüsselspiel. Alles andere als ein Sieg würde die Chancen der Kroaten bei noch ausstehenden Spielen gegen Italien uns Spanien enorm schmälern. „Ich kann nicht sagen, dass die Mannschaft von heute besser ist als die von 2008. Aber der Trainer ist es auf alle Fälle“, sagt er und lobt den „Teamgeist, den wir haben, der mich sehr beeindruckt“.

Leidenschaft und Emotion ist eine der Stärken der Kroaten – und neben der wenig stabilen Abwehr ihre größte Schwäche. „Wir müssen nüchterner werden“, fordert Bilic. Das Viertelfinale – wie 2008 – ist sein Mindestziel. Nur so bitter auszuscheiden wie vor vier Jahren, das will Bilic sich und seinem Team ersparen. Nach einer 1:0-Führung gegen die Türkei wähnten sich die Kroaten in Wien bereits als sichere Sieger und gaben die Partie in letzter Minute noch aus der Hand. Das Trauma, so glauben manche, hat das Land in seinen Grundfesten erschüttert und zum Scheitern in der WM-Qualifikation für 2010 geführt.

Diesmal soll das anders werden. „Ich hinterlasse ein intaktes Team, das Perspektive und Potenzial hat“, sagt Slaven Bilic. Für einen Abschied, wie er ihn sich wünscht, scheint alles vorbereitet.

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