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Sport: Der Kaiser von Österreich

18 Jahre lang hat Beppo Mauhart versucht, die Europameisterschaft in sein Land zu holen. Nun hat es der Belächelte geschafft. Aber jetzt wird es richtig schwer: Sein Team muss gewinnen

Spätestens heute Abend um kurz vor neun wird Österreichs Kaiser ohnmächtig sein. Es liegt dann in der Hand der Nationalmannschaft, ob sein Lebenswerk gelingt.

Beppo Mauhart hat die EM nach Österreich geholt. Er ist so etwas wie der Austro-Beckenbauer. Jetzt sitzt er in seinem Büro über der „Herz: Rasen“-Ausstellung im Wiener Künstlerhaus, dem Hauptquartier der österreichischen Fußballbegeisterung. Edi Fingers Stimme plärrt in einer Endlosschleife aus Lautsprechern. Mauhart ist ganz ruhig. Mit der ganzen Gelassenheit seiner 74 Lebensjahre lehnt er sich in seinem Sessel zurück und seine Körpersprache sagt: Jetzt kann ich ja eh nichts mehr machen.

Gemacht hat er auch schon genug. Bereits vor 18 Jahren hatte er die Idee einer Alpen-EM. Gleich nach der 0:1-Blamage gegen die Färöer im September 1990. Mauhart war überzeugt, dass nur durch die Investitionen, die so ein Turnier mit sich bringt, der Fußball wieder auf die Beine kommen würde. Als er seine Idee in einer Sitzung des Österreichischen Fußballbundes präsentierte, erklärten die Anwesenden ihren Präsidenten für verrückt. Und nun, kurz vor Beginn des Turniers, sitzt Mauhart, der den ÖFB von 1984 bis 2002 geführt hat, da, weißes zurückgekämmtes Haar, braunes Sakko, und lächelt zufrieden. Für ihn persönlich ist dieses Turnier schon jetzt ein Triumph. „Die Menschen kommen nicht hierher, weil sie die Österreicher gewinnen sehen wollen. Unser Ziel muss es sein, Europameister der Gastfreundschaft zu werden“, beschreibt er seine ganz persönlichen Titelambitionen.

Er ist weite Wege gegangen, um aus seiner Vision Wirklichkeit werden zu lassen, sprach er mit Politikern in Österreich und Funktionären der Uefa. Der geschulte Diplomat, der in den Siebzigern sozialdemokratischer Politiker war, spann Seilschaften, zunächst mit den Ungarn, mit denen sich Österreich erfolglos um die EM 2004 bewarb, und danach mit den Schweizern, die er mit seinem Charme so lange umgarnte, bis sie sich auf eine gemeinsame Bewerbung einließen. Und als dann der damalige Uefa-Präsident Lennart Johansson am 12. Dezember 2002 bei der entscheidenden Sitzung in Genf schließlich „Austria & Switzerland“ aus dem Kuvert gezogen hatte, machte sich Mauhart daran, auch seine Landsleute von dem Turnier zu überzeugen. Mauhart musste in einem Land Euphorie entfachen, das so viele Jahre fußballerisch eigentlich nur geohrfeigt wurde. Das war seine schwerste Aufgabe.

Mauhart und seine Kollegen vom Verein „Österreich am Ball“, der die Aufgaben übernommen hat, die bei der Weltmeisterschaft 2006 das WM-Organisationskomitee zu regeln hatte, starteten eine Aktion mit dem flehenden Titel „Botschafter der Leidenschaft“. Dafür wurden 2008 Gute-Laune-Diplomaten gesucht, eine Mischung aus Prominenten und leidenschaftlichen Österreichern, die durchs Land zogen, um ihren Mitmenschen klar zu machen, dass sie sich auf dieses Turnier doch bittschön freuen sollten. Die Botschafter luden zu Bergtouren ein, sammelten für wohltätige Zwecke und organisierten Blutspendeaktionen. Dabei trugen sie Rucksäcke, die an ein österreichisches Nationaltrikot erinnern sollten und mit Wimpeln, T-Shirts und Mützen gefüllt waren. In Wirklichkeit sahen sie allerdings eher aus wie Erste-Hilfe-Beutel.

Ob sich die Österreicher damit genauso wie die Deutschen vor zwei Jahren einen Ruf als weltoffenes, freundliches Völkchen erfeiern werden? Mauhart hofft es, doch er legt Wert auf die Feststellung, „dass wir da im Gegensatz zu den Deutschen ja nicht bei null anfangen müssen“. Mit einem Lächeln lässt er seinen Schmäh im Raum verhallen. Mauhart selbst ist der beste Botschafter, den sich Österreich wünschen kann.

Tatsächlich ist bei den Österreichern kurz vor Turnierstart eine leichte Brise von Euphorie zu spüren. Überall in Wien hängen riesige Banner mit der Aufschrift „Cordoba 08 – gemeinsam schaffen wir das“ und selbst die Schaufensterpuppen sind in rot-weißen Jubelposen erstarrt. Im vergangenen Jahr hat die Nationalmannschaft mit neun sieglosen Spielen hintereinander zwar einen Negativrekord aus den Siebzigerjahren eingestellt, doch gerade in den letzten Monaten auch gezeigt, dass sie rennen und kämpfen kann. Dass Österreich die Spiele gegen Deutschland und die Niederlande verlor, lag an der Unerfahrenheit der Mannschaft. Eigentlich kommt die EM für viele Spieler ein paar Jahre zu früh. Bei der U-20-WM im vergangenen Jahr in Kanada wurden die jungen Österreicher sensationell Vierter und daheim empfangen wie im Sommer 1978 die Mannschaft, die in Cordoba die Deutschen mit 3:2 geschlagen hatte.

Überhaupt, Cordoba! Seitdem klar ist, dass die Österreicher im letzten Gruppenspiel gegen Deutschland antreten werden, scheint es für die Österreicher nur eine Frage zu geben: Folgt auf das Wunder von Cordoba das von Wien? Mauhart kann dem nichts abgewinnen. „Ach“, sagt er, „ich möchte diesen Namen eigentlich gar nicht in den Mund nehmen.“

Wahrscheinlich, weil er Angst davor hat, dass alles, was er so lange mühsam aufgebaut hat, in sich zusammenfällt, wenn dieses eine Spiel am 16. Juni doch verloren geht. Aber jetzt kann er ja ohnehin nichts mehr machen.

Stefan Adrian, Kai Schächtele

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