zum Hauptinhalt

Sport: Der kleine Kaiser

Holger Osieck soll zweiter Mann im Nationalteam werden – dabei hat er sich gerade aus dieser Rolle befreit

Berlin – Wenn Klaus Allofs auf das mögliche neue Trainergespann der Nationalmannschaft angesprochen wird, sagt er mit leiser Stimme: „Das kann nicht gut gehen.“ Der Manager von Werder Bremen sagt das nicht, weil er Teamchef Jürgen Klinsmann und Kotrainer Holger Osieck wenig Ahnung vom Fußball attestieren möchte. Allofs schätzt beide, seit er Ende der Achtzigerjahre mit ihnen in der Nationalmannschaft gearbeitet hat – mit Mitspieler Jürgen Klinsmann und Kotrainer Holger Osieck. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagt Allofs allerdings, dass er sich eines nicht vorstellen kann: „Der Holger als zweiter Mann hinter dem Jürgen – daran glaube ich nicht.“

Der zweite Mann. Diese Rolle kennt Holger Osieck, 55, Trainer und Lehrer, ziemlich gut. Im Jahr 1990 hat sie ihn berühmt gemacht, aber nur einer kundigen Öffentlichkeit. Osieck war damals zweiter Mann hinter Franz Beckenbauer. Er trainierte die Mannschaft, Beckenbauer war Teamchef. Auch Berti Vogts war im Gespann dabei. Eine Geschichte von damals erzählt man sich gern in Fußballkreisen: Vor dem WM-Finale beriet sich Beckenbauer mit seinem Team und schlug den Einsatz eines bestimmten Spielers vor. Osieck entgegnete: „Du Franz, der ist gar nicht bei uns im Kader.“ Am Ende blieb ein Bild vom Gewinn dieser Weltmeisterschaft haften: Franz Beckenbauer geht allein über den Rasen des Olympiastadions in Rom und genießt den Triumph. Von Osieck und dieser WM gibt es kein bleibendes Bild. Man nannte ihn nur den „kleinen Kaiser“.

Nun soll Osieck wieder diese Rolle annehmen und als Kotrainer eine durchschnittlich besetzte Mannschaft bei der WM 2006 in Deutschland zum Titel führen. Die Verhandlungen dauern an, noch hat sich Osieck – derzeit Technischer Leiter beim Weltverband Fifa – nicht dazu geäußert. Sein designierter Chef Jürgen Klinsmann hat zwar einen Trainerschein, doch eine Mannschaft trainiert hat er noch nicht. Osieck dagegen macht seit Jahrzehnten nichts anderes.

Der Unbekannte kennt sich aus – sowohl im deutschen als auch im internationalen Fußball. Er hat den Nachwuchs des Deutschen Fußball-Bundes betreut, zuletzt arbeitete er erfolgreich als Coach in Japan und Kanada. Wenn man Menschen fragt, die den athletischen Mann mit dem kantigen Gesicht auf seinem Weg begleitet haben, loben alle seinen glänzenden fußballerischen Verstand. Und sagen in bedauerndem Ton, dass sein Bild in der Öffentlichkeit nicht so glanzvoll sei. „Es war eine positive Zeit, aber irgendwann gab es Unstimmigkeiten mit dem Verband“, erzählt Uwe Bein auf Nachfrage. Der ehemalige Fußballprofi hat in Japan mit Osieck zusammengearbeitet – und zuvor in der deutschen Mannschaft.

Irgendwie endete nicht jedes Engagement von Osieck gut, nachdem er 1990 die Nationalmannschaft verlassen hatte und sich ein eigenes Terrain gesucht hatte. Beim VfL Bochum, seinem ersten Posten als Cheftrainer, wurde er entlassen. Von den Fans fühlte er sich missverstanden, mit der Presse hatte er Streit. „Ich wurde abgeschossen“, sagte er später. Seitdem hat er keinen Bundesligisten trainiert. Als er 1994 bei Fenerbahce Istanbul gehen musste, riefen ihm die Fans hinterher: „Dummkopf“.

Die Show an der Seitenlinie hat Osieck nie richtig beherrscht. Der Fachmann verharrte oft still auf der Bank. Seine Bühne war die Ansprache im Kreis der Spieler. Auf dem Trainingsplatz hatte Osieck didaktische Fähigkeiten. Vor seiner Trainer-Karriere hatte er als Lehrer für Sport und Englisch an einem Essener Gymnasium gearbeitet. 1979 ging er zum DFB und widmete sein Leben dem Fußball.

Wenn man seine ehemaligen Spieler über ihn befragt, reden sie heute noch respektvoll von Osieck. Pünktlichkeit sei ihm wichtig gewesen, Disziplin. „Wer ordentlich mitgezogen hat, hatte mit Holger keine Probleme“, sagt Uwe Bein. „Aber wenn einer mal zu locker drauf war, hat Holger auf den Tisch gehauen.“

Osieck hat es nie in den Vordergrund gedrängt. Er war lange der zweite Mann, und wenn man seinen Weggefährten glauben darf, kam er gut damit zurecht. Zuletzt aber hat es ihn in die Ferne gezogen. In Fußball-Entwicklungsländern wie Kanada konnte er sich langsam einen Platz erstreiten als respektierter erster Mann – auch in der Öffentlichkeit.

Nun soll Holger Osieck zurückkommen als zweiter Mann. Wieder ist seine Disziplin gefragt. Seine Selbstdisziplin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false