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Sport: Der kleine Mann mit dem großen Helm

Ob auf Werbeplakaten, in TV-Spots, auf den Titelblättern der Gazetten oder Briefmarken: Der kleine Mann mit dem großen Helm ist in seiner polnischen Heimat auch in diesem Winter allgegenwärtig. Er hat selbst die erfolgreichen Kicker des Nationalteams von den Litfasssäulen und aus den Schlagzeilen verdrängt, die sich für die WM 2002 qualifizieren konnten.

Ob auf Werbeplakaten, in TV-Spots, auf den Titelblättern der Gazetten oder Briefmarken: Der kleine Mann mit dem großen Helm ist in seiner polnischen Heimat auch in diesem Winter allgegenwärtig. Er hat selbst die erfolgreichen Kicker des Nationalteams von den Litfasssäulen und aus den Schlagzeilen verdrängt, die sich für die WM 2002 qualifizieren konnten. Sechs Mal stand Skispringer Adam Malysz in der noch jungen Saison bereits auf dem Siegerpodest, scheint die ratlose Konkurrenz nach Belieben zu dominieren. Der anscheinend unaufhaltsame Siegeszug des schmächtigen Überfliegers mit dem dünnen Oberlippenflaum lässt die Fans in seiner Heimat bereits zwei Monate vor den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City in einem erwartungsfrohen Goldrausch schwelgen: Euphorisch huldigt die von sportlichen Erfolgen in den letzten Jahren keineswegs verwöhnte Nation ihrem stillen Volkshelden.

Nicht nur die Busladungen von Touristen, die in dessen Heimatort Wisla voller Ehrfurcht zum Haus des derzeit wohl populärsten Sohn des Landes pilgern, künden von der so genannten "Malysz-Manie", die die Polen seit dessen Triumph bei der Vierschanzentournee im vergangenen Winter eisern im Griff hält. Leer gefegt sind die Straßen, wenn der ehemalige Dachdecker im Fernsehen von der Schanze rutscht. Stunden- und seitenlang berichten die Medien über die sagenhaften Sprünge des 24-Jährigen. Noch immer groß scheint in Polen die Verwunderung, dass ausgerechnet das zumeist flache Land zwischen Oder und Bug in einer der populärsten Alpin-Sportarten nun den vermeintlich unbezwingbaren Seriensieger stellt. Die Erfolge von Malysz seien in Polen wie "ein Blitz aus heiterem Himmel" eingeschlagen, schreibt die "Gazeta Wyborcza": "Danach donnerte und tobte es. Malysz wurde zur größten Figur in der Sportwelt - und das Land vom Skisprung-Fieber erfasst." Tatsächlich hatte die Leistungsexplosion von Malysz (sprich: Mawesch) im vergangenen Winter selbst die Verantwortlichen des polnischen Skiverbandess überrascht.

Nach einigen ermutigenden Achtungserfolgen zu Beginn seiner Karriere war der 52 Kilogramm leichte Schanzenhopser fast zwei Jahre völlig in der sportlichen Versenkung verschwunden. Doch ein Psychologe von der Universität Krakau und der neue Nationalcoach Apolonieusz Tajner verhalfen dem stillen Adam zu einem neuen Gleichgewicht bei seinen tollen Gleitflügen.

Mehr noch als die Konkurrenz scheint dem schüchternen "Kleinen" inzwischen seine Popularität zu schaffen zu machen. Entgeistert berichtet er, wie er einmal bereits um fünf Uhr morgens nach der Rückkehr von einem Springen im Ausland vor seinem Haus von Journalisten abgefangen wurde. Wie seine Familie zu Hause seine Sprünge erlebe, wollten die neugierigen Fragesteller von dem stets höflichen Malysz wissen. "Das weiß ich nicht. Denn wie ich springe, bin ich nicht zu Hause," lautete die nüchterne Antwort des Medienstars wider Willen. "Ich würde gerne so springen wie jetzt, aber so leben wie früher," seufzte der gläubige Katholik einmal in einem Interview. "Adam hätte den Rummel vermeiden können - durch Niederlagen," scherzt indes gut gelaunt sein Coach Tajner: "Aber zum Glück fürchtet er den Ruhm nicht."

Sein Leiden im ungeliebten Rampenlicht weiß der Mann im silberfarbenen Springeranzug durch stattliche Einkünfte versüßt. Offiziell muss sich der brave Familienvater nach wie vor mit einem Sportstipendium von 3500 Zloty (1800 Mark) im Monat bescheiden. Waren seine Nebeneinkünfte in seinem ersten Erfolgswinter vergleichsweise bescheiden, da die meisten Werbeverträge vor seinem Marsch an die Weltspitze abgeschlossen wurden, macht Malysz inzwischen auch im Sponsorengeschäft große Sprünge. Jeder Quadratzentimeter der fliegenden Litfasssäule ist mit Firmenlogos von Getränke-, Ski-, Handschuh-, Brillenproduzenten bedeckt. Zusätzlich wirbt und schwebt der durchaus geschäftstüchtige Pole für heimische Post-, Handy- und Mineralwasserfirmen. Von den Einkünften seines außer Form geratenen deutschen Konkurrenten Martin Schmitt sei er zwar "noch weit entfernt", schreibt die Wochenzeitschrift "Polityka". Aber auch Malysz erziele im Skispringen inzwischen Werbe-Einnahmen in Millionenhöhe: "Nicht nur die Fans vergöttern Adam: Auch für die Reklame-Agenturen ist er längst ein begehrtes Objekt geworden."

Thomas Roser

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