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Sport: Der Kopf spielt nicht mit

Die Fußballer von Hertha BSC verstehen die Zuschauer nicht, klagen über die Mehrfachbelastung und rätseln über die eigene Leistung

Von Klaus Rocca

und André Görke

Berlin. Es war am Sonntagabend in der 43. Minute. Da säbelte Pal Dardai anfängerhaft über den Ball und ermöglichte damit dem Bielefelder Mamadou Diabang eine Großchance, die Gabor Kiraly mit einer sehenswerten Parade zunichte machte. „Der Ball flatterte, und zusätzlich ist mir das Standbein weggerutscht“, sagte Dardai. Eine plausible Erklärung. Doch war es vielleicht auch ein Zeichen von Verunsicherung, die sich längst in den Reihen der Hertha-Fußballer breit gemacht hatte, verstärkt durch die Unmutsäußerungen von den Rängen? „Nein“, sagt Dardai. „Allerdings verstehe ich die Pfiffe der Zuschauer nicht. Wir sind doch keine Computer. Als wir in der Champions League spielten, waren die Fans unser zwölfter Mann. Jetzt sind sie es nicht mehr.“

Ein frustrierter Pal Dardai, der auf der Suche nach den Ursachen des ewigen Auf und Ab beim Berliner Bundesligisten auch mit Kritik am eigenen Publikum nicht zurückhält. Die Ursachenforschung ist dagegen angebracht. Da hätten die Herthaner endlich einmal wieder auf den angestrebten Uefa-Pokal-Platz vorrücken können, bekamen mit Arminia Bielefeld einen der auswärtsschwächsten Klub im heimischen Stadion vorgesetzt – und quälten sich zu einem, noch dazu glücklichen, torlosen Unentschieden. „Uns fiel nicht viel ein, wie wir die Abwehr der Bielefelder knacken konnten“, sagte Thorben Marx. Also auch Selbstkritik, nicht nur Kritik an den Fans.

Gerätselt wird schon lange, warum es an der Konstanz mangelt, warum gerade dann wieder der Rückfall erfolgt, wenn der Durchbruch zum Positiven winkt. „Es fehlt uns die Frische. Die englischen Wochen schlauchen doch schon ganz schön“, sagt Dardai. Mag sein. Auch in früheren Jahren, als die Herthaner zu Jürgen Röbers Zeiten in Champions League und Uefa-Pokal spielten, ging das oft auf Kosten der Bundesliga-Leistungen. Doch so geschlaucht sollte keine Mannschaft sein, dass sie Bielefelds Kicker im eigenen Stadion nicht noch in die Knie zwingen könnte.

Sicher rächt sich auch, dass Herthas Spiel vor allem auf Marcelinho zugeschnitten ist. Erwischt der Brasilianer schwache Tage, wie zuletzt gegen Boavista Porto und nun gegen Bielefeld, verkümmert das spielerische Moment auf ein Minimum. Dick van Buriks spätes Siegestor im Duell mit den Portugiesen hat vieles beschönigt.

Neben der körperlichen scheint auch die geistige Frische zu fehlen. Viel zu ideenlos wurde versucht, das Bielefelder Abwehrbollwerk zu durchbrechen. Wenn dann noch das Flügel- und Kombinationsspiel sowie das Spiel ohne Ball vernachlässigt werden, zudem die einfachsten Standardsituationen wie Eckbälle dilettantisch ungenutzt bleiben, „dann kann man so ein Spiel eben nicht gewinnen“ (Manager Dieter Hoeneß).

Die personelle Substanz müsste genügen, um zumindest einen Uefa-Pokal-Platz zu erkämpfen. Wobei sich allerdings weiterhin die Frage aufdrängt, ob man sich mit der Verpflichtung von Luizao nicht einen Fehlgriff geleistet hat. Wie gering muss das Vertrauen in ihn sein, wenn man den Brasilianer nicht einmal einwechselt, wenn die Sturmmisere eklatant ist? Stattdessen wurde Alex Alves durch Bartosz Karwan ersetzt, der noch nicht den Beweis erbringen konnte, ein vollwertiger Stürmer zu sein. „Wir wollten von der rechten Seite mehr Druck machen. Deshalb haben wir Karwan gebracht“, begründete Assistenztrainer Holger Gehrke die Maßnahme. Erfolgreich war sie nicht.

Für Michael Preetz, den Mannschaftskapitän, haben „es einige Spieler nicht geschafft, sich vom Kopf her auf die sich bietende Chance einzustellen“. Allerdings sei es auch nicht einfach, sich gegen zwei defensive Viererketten zu behaupten. „Gegen die Schalker haben wir stark gespielt, weil die so offensiv waren, als hätten sie ein Heimspiel.“ Da musste Hertha nicht das Spiel machen, sondern konnte kontern. Und das liegt den Berlinern eher.

Was Hoffnung für das Rückspiel am Donnerstag in Porto macht.

Klaus Rocca, André Görke

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