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Sport: Der Liebe wegen

Warum der Volleyball-Weltstar Elisaweta Tischtschenko für den Aufsteiger Wiesbaden spielt

Seit einem Jahr ist die Nummer neun beim VC Wiesbaden reserviert. Keiner wusste bisher für wen, aber jetzt ist es raus. Elisaweta Tischtschenko, die in ihrer Karriere immer die Nummer neun getragen hat, wird das nun auch beim VC Wiesbaden tun. Dass der Verein nun auf einmal einen echten Weltstar des Frauen-Volleyballs im Kader hat, war für die ganze Szene eine Überraschung. Ausgerechnet beim Bundesliga-Aufsteiger, der mit 200 000 Euro über den kleinsten Etat der Liga verfügt. Doch um Geld und Ruhm geht es der 29-jährigen Russin nicht. Sie war Spielführerin der russischen Nationalmannschaft, für die sie 480 Mal gespielt hat. Zwei Silbermedaillen hat sie bei Olympischen Spielen gewonnen, viermal war sie Europameisterin. Ruhm hat sie genug, und Geld will sie außerhalb des Volleyballs verdienen.

Die 1,90 Meter große Mittelblockerin ist diplomierte Ökonomin. Im Januar startet sie ein Consulting-Unternehmen, das deutsche Firmen berät, die auf dem osteuropäischen Markt investieren wollen. Aber ihre alte Liebe hat sie nicht losgelassen. „In Wiesbaden wird erstklassiges Volleyball gespielt, und deshalb verlängere ich meine Karriere noch einmal um zwei Jahre“, sagt der neue Star des VCW. Volleyball als Ablenkung zum Geschäftsalltag. „Das ist eine großartige Sache für den VC Wiesbaden, aber auch für den deutschen Volleyball insgesamt“, sagt Achim Exner, Manager des Bundesligaaufsteigers. Der ehemalige Oberbürgermeister Wiesbadens fädelte den Deal ein.

Aber es war nicht die Liebe zur hessischen Landeshauptstadt, die Tischtschenko nach Deutschland zog, sondern die Liebe zu Jürgen Bracht, einem 50-jährigen Unternehmer, den sie im Februar heiraten möchte. Exner hatte Bracht bei einem Turnier in Bremen kennen gelernt. „Er hat mir versichert: Wenn ihr aufsteigt, spielt sie bei euch“, erzählt Exner. Als der Aufstieg dann perfekt war, ging alles ganz schnell, und die Nummer neun war vergeben. Ein finanzielles Risiko gehe der VC Wiesbaden damit aber nicht ein. „Sie bekommt von uns Fahrgeld, und wir werden ihr mit unseren Kontakten beim Aufbau ihrer Firma zur Seite stehen, ein Gewinn für beide“, sagt Exner. Denn Tischtschenko soll die Wiesbadenerinnen auf dem Feld unterstützen. „Ich bin glücklich, hier zu sein, und ich hoffe, der Mannschaft mit meiner Erfahrung weiterhelfen zu können“, sagt Tischtschenko, die zehn Sprachen mehr oder weniger fließend spricht und zurzeit in London noch ein Englisch-Studium absolviert.

Sie ist die einzige echte Profispielerin in der jungen Mannschaft von Trainer Luis Ferradas. Der 144-fache argentinische Nationalspieler hat die Wiesbadener innerhalb von fünf Jahren aus der dritten in die erste Liga geführt. „Für mich ist es auch eine große Ehre, so eine Spielerin trainieren zu dürfen“, sagt der Coach. Genauso gespannt sind die Spielerinnen, von denen einige erst 15 oder 16 Jahre alt sind. So oft werden sie die Russin aber nicht zu sehen bekommen. „Die berufliche Entwicklung hat natürlich Vorrang vor dem Training, aber bei den Spielen wird sie dabei sein“, sagt Bracht. Zum ersten Mal wird Tischtschenko am Samstag im Pokal gegen den Dresdner SC die Nummer neun tragen.

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