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Sport: Der Mann, der alles darf

Philipp Crone ist im Hockeyteam unverzichtbar – seit dem gestrigen 2:1-Sieg bei der WM gegen England ist er Rekordnationalspieler

Philipp Crone erlebt in diesen Tagen ein Schicksal, wie es schon viele andere alternde Sportler vor ihm erlebt haben: Es wird an seinem Denkmal gekratzt. Crone, Libero der Hockey-Nationalmannschaft, hat immer als Musterprofi gegolten, eifrig, strebsam, stets hart im Nehmen, und gilt es eigentlich noch. Doch in diesen Tagen war in der Münchner „Abendzeitung“ etwas ganz anderes zu lesen. Von wegen Musterprofi! Wie jeder andere freut sich auch Crone, wenn er morgens im Bett bleiben darf, während die Mitspieler durch den Wald laufen. Das Boulevardblatt erhielt die Information aus erster Hand. Der Autor heißt – Philipp Crone.

Crone darf das. Seit gestern, seit dem 2:1 (1:1) gegen England, ist er mit 335 Länderspielen alleiniger Rekordnationalspieler der Deutschen. Aber das ist nicht entscheidend. In der Nationalmannschaft ist der 29-Jährige längst eine Institution. „Auf ihn kann ich am wenigsten verzichten – eindeutig“, sagt Bundestrainer Bernhard Peters. „Was er heute wieder weggegriffen hat, reicht für zwei.“ Torhüter Uli Bubolz wurde nur per Siebenmeter bezwungen, für die Deutschen erzielte Christopher Zeller seine Turniertore vier und fünf.

Obwohl Crone Anfang des Jahres wegen seiner Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule den ersten Teil der WM-Vorbereitung verpasst hat, stand seine Nominierung für die Weltmeisterschaft in Mönchengladbach nie in Frage. Seine Bedeutung für das Team hat sogar noch zugenommen. Crone gibt von hinten das System vor, das die Deutschen spielen, vor allem aber gibt er seinen Kollegen ein Gefühl der Sicherheit. „Wenn er hinter dir spielt, weißt du, dass du dir auch mal einen Fehler erlauben kannst“, sagt Mittelfeldspieler Tibor Weißenborn. „Er ist der beste defensive Eins-gegen-eins-Spieler der Welt.“ Ein spanischer Stürmer hat seine frustrierenden Erfahrungen mit dem Verteidiger einmal so beschrieben: „Du spielst den Crone aus, drehst dich um und hast schon wieder einen grinsenden Crone vor dir.“

Das ist typisch für ihn, genau wie das, was beim Eröffnungsspiel gegen Indien passierte. Das Blut lief ihm übers Gesicht, die Wunde an der Stirn wurde dreimal getackert. „Macht schnell!“, rief er, und nach zwei Minuten kehrte er mit einem Kopfverband aufs Feld zurück. Dass es in diesem Fall nur ein kleiner Riss an der Augenbraue war – geschenkt; wirklich zu schaffen machte ihm eine Magen-Darm-Infektion. Nach dem Spiel musste Philipp Crone sofort zurück ins Bett. „Bis der im Krankenhaus liegt, muss der Arm ab sein“, sagt Weißenborn.

Philipp Crone zählt zu den sieben Spielern des aktuellen Kaders, die schon vor vier Jahren mit der deutschen Mannschaft Weltmeister geworden sind. Mit 29 ist er der zweitälteste Feldspieler, eigentlich kein Alter, in dem ein Sportler an sein Karriereende denken muss, aber im Hockey läuft die Zeit ein bisschen schneller. Die Spieler, alle Amateure, trainieren zwar wie die Profis, aber spätestens mit dem Einstieg ins Berufsleben ist der immense Aufwand nicht mehr zu bewältigen. Oliver Domke, Clemens Arnold, Christoph Eimer oder Sascha Reinelt, über Jahre wichtige Stützen der Nationalelf und erst jetzt zwischen 28 und 30 Jahre alt, stehen dem Bundestrainer schon lange nicht mehr zur Verfügung. „Das ist halt so“, sagt Philipp Crone. Seine Ausbildung endet im April. „Es kann gut sein, dass die WM mein letztes Turnier ist“, sagt er. „Ich hoffe, dass der Beruf mich zwingt, dass ich nicht mehr weitermachen kann.“

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