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Sport: Der Mann, der nicht altert

Andre Agassi wehrt auch mit 34 Jahren noch alle Gedanken an einen Rückzug ins Privatleben ab

Manche Menschen hören an einem bestimmten Punkt ihres Lebens einfach auf zu altern. Bei Andre Agassi muss das mit Ende 20 passiert sein. Er schnitt seine schulterlangen Haare ab, warf sein Jeans- Outfit weg und gründete eine Familie. Mittlerweile ist er 34 und so zeitlos, dass bei den diesjährigen US Open sogar der Werbespot aus dem vergangenen Jahr reaktiviert wurde. Oder war der schon aus dem vorvergangenen? Etwas anderes allerdings wird auch nicht alt, wo immer Agassi auch auftritt: die Frage, wann er denn den Schläger endgültig aus der Hand legt und sein Leben als Tennis-Profi abschließt.

In New York dauerte es drei Tage und zwei Matches, bis er sich wieder zu seinem Karriereende äußern sollte. Pete Sampras, sein alter Rivale, hatte hier vor einem Jahr mit einer tränenrührigen Vorstellung den Rückzug ins Privatleben verkündet, Michael Chang ebenso. Diesmal waren es Todd Martin und Wayne Ferreira, die ihren endgültiges Abschied bekannt gaben. „Man vermisst sie schon, die Kumpel, von denen ich einige auf dem Tennisplatz treffe, seitdem ich acht Jahre alt war“, sagt Agassi, „aber die Herausforderungen da draußen sind immer noch die gleichen. Es gibt die Jungs, die ihr ganzes Arsenal zu mir auf den Platz bringen – und das hält mich irgendwie davon ab, mich einsam zu fühlen.“ Oder aufzuhören.

Außerdem gibt es ja auch noch die Zuschauer, die ihm, wo immer er auftritt, ein herzliches Willkommen bereiten. Das ist dann kein mitleidiges Klatschen für einen, der auf dem Tennisplatz schon bessere Tage gesehen hat, aber den man irgendwie ins Herz geschlossen hat wie eine alte Couch im Wohnzimmer. Agassi arbeitet hart an seiner Form, seine Aufschläge kommen immer noch mit bis zu 200 Stundenkilometern übers Netz, und seine Returns sind wie einst: legendär. Das stellte auch der junge Deutsche Florian Mayer fest, der in der zweiten Runde so couragiert spielte, bis ihn eine Verletzung stoppte: „Gemessen an seinen Schlägen, ist sein Alter kein Problem“, sagte der 20 Jahre alte Deutsche nach dem Match. „Sie sind die besten von allen Spielern auf der Tour.“

Agassis größte Stärke aber ist es, sich auf den Stil des Gegners einzustellen. Das kann eine radikale Änderung seiner eigenen Spielweise mitten im Match zur Folge haben. „Ich denke, ich habe einfach schon alles gesehen“, sagt Agassi, „nichts kann mich mehr wirklich schockieren. Und ich will immer noch so sehr gewinnen wie ganz am Anfang.“ Die Siege sind zweifellos seltener geworden. In Paris schied er in der ersten Runde aus, in Wimbledon musste er wegen einer Hüftverletzung passen. In Australien aber stieß er Anfang dieses Jahres bis in Halbfinale vor, in Cincinnati endete seine Schwächeperiode von 16 Monaten ohne Turniersieg.

Bei den US Open gehört Agassi neben Andy Roddick, Roger Federer und Lleyton Hewitt zu jenen, denen man zutraut, das Turnier zu gewinnen. Auf seinen Landsmann Roddick, den Titelverteidiger, könnte Agassi bereits im Viertelfinale treffen. Bis dahin genießt er jede Minute Tennis. Wie es danach weitergeht, lässt Agassi bislang offen. Sein Turnierplan stimme er spontan mit den Bedürfnissen seiner Familie ab, sagt er. Sicher ist nur: An einen Rückzug denkt er zurzeit nicht.

Seine Werbepartner haben sich trotzdem schon einmal auf den Fall der Fälle eingerichtet. In einem neuen Werbespot, der neben dem vom vergangenen Jahr im US-Fernsehen läuft, tritt ein kleiner Junge auf, der aussieht wie Agassi im Taschenformat. Den kleinen Schläger mit beiden Händen fest umfassend, liefert er Spitzenspieler Tylor Dent ein packendes Match – bis Vater Agassi und Mutter Steffi Graf ihn rufen und die Familie gemeinsam im Auto entschwindet. Ins Privatleben.

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