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Sport: Der Mann ohne Vergangenheit

Trainer Falko Götz sucht mit Hertha BSC einen Neuanfang – und Hertha BSC mit ihm

Es gibt also auch Menschen, die Falko Götz nicht mögen. Am Freitagabend stehen rund fünfzig von ihnen nur ein paar Meter hinter dem Trainer von Hertha BSC. Sie rufen Schimpfwörter, singen versaute Lieder, und weil niemand weiß, wie weit der Hass der Fans von 1860 München gehen könnte, haben sich zehn Polizisten hinter Falko Götz aufgestellt. Der Fußball-Bundesligist aus Berlin spielt im Alpencup gegen Bröndby Kopenhagen, und erst ein paar Minuten zuvor ist die Begegnung zwischen 1860 und Besiktas Istanbul zu Ende gegangen. Deshalb sind die Fans aus München noch im Jahnstadion von Rosenheim. Eigentlich sind sie nur wegen Götz geblieben.

Für die Fans von 1860 ist Falko Götz der Trainer, der den Abstieg in die Zweite Liga eingeleitet hat. Die Verbitterung sitzt so tief, dass die Sechziger ihre Teilnahme am Alpencup davon abhängig gemacht haben, dass sie nicht gegen Hertha und Götz spielen müssen. Und selbst die Boulevardzeitungen aus München haben sich in diesen Tagen noch einmal an der Person Götz abgearbeitet. Die „Abendzeitung“ hat zum Beispiel den Verteidiger Remo Meyer zu Wort kommen lassen: „Das Beste für Götz wäre, er würde sich in Rosenheim vor uns verstecken – Grund dafür hätte er ja genug.“ Götz sagt: „Über so was muss ich mich nicht unterhalten. Das spricht für sich.“

Wann immer Falko Götz im Trainingslager von Hertha BSC am Walchsee in Tirol auf die vergangene Saison angesprochen wurde, hat er gesagt, er schaue nicht zurück, die Vergangenheit interessiere ihn nicht. Er meint damit entweder seine eigene Vergangenheit als Trainer in München oder Herthas Vergangenheit als Abstiegskandidat. Mit dem 28. Juni, dem Tag, an dem die Berliner ihre Vorbereitung auf die neue Saison begonnen haben, hat für Götz und für Hertha gewissermaßen ein neues Leben angefangen.

Wenn Götz und Hertha zwei ganz gewöhnliche Privatpersonen wären, müsste man sagen: Da haben zwei zusammengefunden, die noch eine Menge Komplexe mit sich herumschleppen. Doch was im normalen Leben scheitern müsste, könnte in der Bundesliga funktionieren – dass beide Seiten erfolgreich gegen ihre dunkle Vergangenheit kämpfen und am Ende für beide etwas Positives herauskommt. Hertha könnte sogar davon profitieren, dass Götz bei 1860 gescheitert ist – „weil er gelernt hat, auch mit einer Krise umzugehen“, sagt Manager Dieter Hoeneß. „Diese Zeit hat ihm vielleicht sogar besser getan, als wenn er Erfolg gehabt hätte.“

Der Falko Götz, der jetzt in seine Heimatstadt Berlin zurückgekehrt ist, ist ein anderer als jener, der sich im Frühjahr 2002 für 13 Spiele als Herthas Trainer versuchen durfte. „Mit der Zeit habe ich in München ein dickes Fell bekommen“, sagt Götz. Das hatte er noch nicht, als er im Frühjahr 2002 Jürgen Röber ablöste. Er hätte es auch nicht gebraucht. Sechs Jahre war Röber Herthas Trainer gewesen. Sechs Jahre sind eine lange Zeit, und wenn nach sechs Jahren jemand kommt, der mit der Macht der Gewohnheit bricht, wird er in einer Fußball-Mannschaft immer große Zustimmung finden. „Falko Götz konnte nur gewinnen“, sagt Dieter Hoeneß über die damalige Situation. „Und er hat gewonnen.“

Die kleine Ära Götz war die letzte, in der das Berliner Publikum großen Spaß an seiner Hertha hatte. Von 13 Spielen gewann die Mannschaft neun. Sie spielte schön und schoss viele Tore. Götz schaffte es sogar, den divenhaften Einzelgänger Alex Alves für den Erfolg des großen Ganzen einzuspannen, und er förderte die jungen Spieler, Thorben Marx zum Beispiel, der bei Röber allenfalls ein Mann für die letzten zehn Minuten gewesen war. Unter Götz sah Hertha drei Monate lang so aus, wie Dieter Hoeneß sie am liebsten verkauft: jung, dynamisch und vor allem erfolgreich. Dann musste Götz gehen, weil der neue Trainer Huub Stevens bereits verpflichtet war.

Pal Dardai arbeitet jetzt zum dritten Mal mit Götz zusammen. Als der Ungar 1997 zu Hertha kam, war Götz selbst noch Spieler. Dardai verstand kaum ein Wort Deutsch, „ich habe nicht so viel mitbekommen“, sagt er, „aber Falko hat im Training eine große Ausstrahlung gehabt“. Auch mit Schmidt, Fiedler, Kovac und Hartmann hat Götz noch zusammengespielt, trotzdem erweckt der neue Trainer nie den Eindruck, dass er selbst noch Spieler ist. Im Training schlägt der Chef die Flanken zwar manchmal selbst; mit der Mannschaft aber pflegt er einen fast distanzierten Umgang. Pal Dardai sagt, die Mannschaft habe einen großen Respekt vor Götz.

Den alten Trainer zurückzuholen war für Manager Hoeneß ein Wagnis ohne Risiko. Wagnis deshalb, weil noch niemand weiß, welcher Götz der wahre ist: der, der Hertha vor zwei Jahren entfesselt hat. Oder der, der sich bei 1860 immer weiter verzettelt hat, bis es nicht mehr weiter ging. Ohne Risiko ist die Verpflichtung für Hoeneß, weil er dem Wunsch der Fans gefolgt ist. Die Fans wollten Götz, weil sie sich von ihm eine Wiederholung der früheren Erfolge erwarten. „Wenn wir eine gute Saison spielen, werden wir unter Falko Götz ein schönes Leben haben“, sagt Pal Dardai. Was aber passiert, wenn Hertha keine gute Saison spielt, darüber will eigentlich niemand nachdenken.

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