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Sport: Der Pater und das Opfer

GUADALAJARA . "Damit auch das in der Zeitung steht, was ich eben gesagt habe", sagt Lothar Matthäus, "komme ich lieber runter.

GUADALAJARA . "Damit auch das in der Zeitung steht, was ich eben gesagt habe", sagt Lothar Matthäus, "komme ich lieber runter." Lothar, so möchte der aktive Methusalem des deutschen Fußballs angesprochen werden, steigt vom Podium hinab ins Auditorium, zu den rund 80 Journalisten, die gegen vier Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit in Guadalajara warten.Hierhin hat es Matthäus und Co. verschlagen, um an einem Turnier namens Konföderationen-Cup teilzunehmen. Das ist eine Art Erdteilturnier, das zwar zum vierten Male ausgetragen wird, aber eigentlich weiß immer noch keiner warum. Jedenfalls sind die Deutschen in Mexiko, um Europa zu vertreten, weil die Franzosen nicht wollten, oder nichts mehr wollten, schließlich haben sie ja vor einem Jahr die Weltmeisterschaft ausrichten dürfen. Und das wollen nun die Deutschen im Jahr 2006. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist jedenfalls der Meinung, in Mexiko Meinung machen zu können, weil dort ja auch die Saudis, Neuseeland und Ägypten spielen werden.Eigentlich könnte der diesjährige Konföderationen-Cup auch Lothar-Matthäus-Cup heißen, schließlich ist der 136fache Nationalspieler "der einzig echte Star, der an diesem Turnier teilnimmt", wie ein mexikanischer Kollege bemerkt. Die Brasilianer haben Ronaldo, Rivaldo und Roberto Carlos daheimgelassen. Auch Deutschland verzichtet auf das Mitwirken von zwölf etatmäßigen Nationalspielern. Nicht aber auf Lothar.Der darf in Mexiko sogar die Kapitänsbinde tragen und glänzt auf einmal in völlig ungewohnter Rolle: als Diplomat. "Im Vorfeld war ich ja auch ein bißchen skeptisch", erzählt Matthäus, "aber ich freue mich auf jedes Länderspiel, besonders in Mexiko. Zu Mexiko besteht eine Beziehung, die mit Worten gar nicht zu erklären ist." Plötzlich ist nichts mehr zu hören von dem sogenannten Belästigungsaspekt, unter dem diese Reise bislang in Deutschland debattiert worden war. Doch da ist dieser Satz des DFB-Präsidenten Egidius Braun, der durch die mexikanischen Zeitungen geistert: "Die Teilnahme an diesem Cup ist das größte Opfer in der Verbandsgeschichte." Das verärgert die Mexikaner. Flugs schickt "Pater Braun" aus Aachen eine Richtigstellung: "Meine Aussage hat damit zu tun, daß ich Gefahren für das Image der Nationalmannschaft sehe, weil sich die Spieler nicht so vorbereiten konnten, wie das für ein so hochkarätiges Turnier notwendig ist. Meine Sorge bezog sich keinesfalls auf Mexiko."Immerhin nimmt Deutschland teil an diesem Kompromiß-Cup, wenn auch nicht in Bestbesetzung. Die zwischen den Bundesligisten und dem DFB gefundene Drei-Mann-Regelung hilft maximal sportpolitisch, nicht aber auf dem Rasen. "Früher", sagt Teamchef Erich Ribbeck, "hätte man von einem Abkommen unter Gentlemen gesprochen. Aber heute muß man damit vorsichtig sein."Weitaus devoter geht Heiko Gerber mit dieser Dienstreise um. Den Burschen, der in Chemnitz das Fußballspielen erlernte, zuletzt mit dem 1. FC Nürnberg in die zweite Bundesliga abgestiegen ist und demnächst für den VfB Stuttgart arbeitet, hat die Nachricht am Sonntag im Bus ereilt. Der VfB ist gerade auf dem Weg ins Trainingslager, "da sagt mir der Trainer, daß ich nach Mexiko soll", erzählt Gerber. Er ersetzt den Bremer Marco Bode, der plötzlich von einer fiebrigen Sommergrippe überrumpelt wurde. Und anschließend Gerber vom Teamchef. Einen zehnminütigen Einsatz in der A-2-Nationalmannschaft kann er vorweisen, und deshalb hat er vorsichtshalber "zweimal nachgefragt", ob sich der Überbringer der Kunde auch nicht girrt hat. Auf einmal hat Gerber "irre große Namen" vor sich, "aber diese Spieler werden auch älter. Bis auf Lothar, der wird in fünf Jahren noch spielen."

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