zum Hauptinhalt

Sport: Der Prinz von Mailand

Diego Militos Tore bescheren Inter das Triple – nun könnte er José Mourinho zu Real Madrid folgen

Einen Augenblick lang hat Michel Platini gezögert. Als der dunkelhaarige Bursche vor ihm auftauchte, ein blau-schwarzes Trikot trug und stolz auf den Schultern seines Vaters thronte, hätte der Uefa-Präsident Platini dem kleinen Leandro Milito beinahe die goldene Medaille um den Hals gehängt. Am Ende bekam sie doch der Papa, der sein Söhnchen immer wieder wie einen Pokal in den Abendhimmel hob. Diego Alberto Milito war als zweifacher Torschütze der Held dieser Nacht von Madrid. Inter Mailands 2:0-Sieg im Finale der Champions League über den FC Bayern war für den 30 Jahre alten Argentinier die Krönung einer großartigen Saison. Dazu sendete er seinem Idol ein hübsches Rätsel via Satellit nach Buenos Aires: Wer, lieber Diego Maradona, soll denn in ein paar Wochen bei der Weltmeisterschaft für Argentinien stürmen, wenn nicht dieser Diego Alberto Milito?

Vor einer Woche hat er in Siena das entscheidende Tor zum Gewinn der Meisterschaft geschossen, auch im Pokalendspiel gegen den AS Rom gelang ihm das finale 1:0, im Bernabeu nun feierte Milito sein persönliches und Inters Triple. Im Rausch der ersten Interviews kündigte Milito an, er werde „nach Buenos Aires fliegen und Maradona sagen, dass er mich in Südafrika aufstellen muss“.

Bei Inter nennen sie ihn „Il Principe“, aber in Argentinien war der Prinz von Mailand bis zum Pfingstsamstag hinter Lionel Messi, Carlos Tévez, Gonzalo Higuaín, Sergio Agüero und Martín Palermo nur Stürmer Nummer sechs. In Maradonas Planungen hat Milito bisher keine große Rolle gespielt. Viermal hat er ihn in seiner 19 Monate währenden Zeit als Nationaltrainer aufgeboten, kein einziges Mal von Anfang an. Bei der Nominierung des WM-Aufgebots war Milito bis zuletzt einer der Streichkandidaten.

Seine Vorzüge offenbaren sich ja auch nicht auf den flüchtigen ersten Blick. Er dribbelt nicht besonders elegant und ist auch nicht mit überdurchschnittlicher Schnelligkeit gesegnet. Aber er versteht das Spiel so gut wie kaum ein anderer. Milito erkennt genau, wo sich in einer zunächst unübersichtlich wirkenden Situation eine Gasse öffnet. Seine Pässe sind Präzisionsarbeit, Wesley Sneijder und Goran Pandev hätten sie im Bernabeu zu weiteren Treffern nutzen können, ja müssen. Und wenn er selbst schießt, dann landet der Ball beängstigend oft im Tor.

Am Samstag hat Milito zweimal aufs Tor geschossen, und beide Szenen stehen symbolisch für die Spielintelligenz des in der Heimat unterschätzten Angreifers. Beim ersten Mal war es dieses kurze Täuschungsmanöver, eine angedeutete Schussbewegung, die Jörg Butt zum frühzeitigen Flug verleitete. Als Milito dann wirklich schoss, blieb Bayerns Torhüter nur noch ein hilfloses Hochreißen des rechten Arms. Das zweite Tor entsprang einer eher beliebigen Situation, die nur durch Militos Klasse zu einer ganz besonderen wurde. Wie er da am linken Strafraum den langen van Buyten schwindlig spielte und allein vor Butt den Ball in die rechte Ecke zirkelte – dieser Unterschied an individueller Qualität war es, der am Samstag den FC Internazionale von den Bayern trennte.

Es war ein Sieg der Defensivkunst über die Angriffslust, und Inter-Trainer José Mourinho wird im Spiegel der internationalen Rezensionen im besten Fall respektiert, was ihm ziemlich egal ist. „Jesus Christus wurde auch nicht von allen geliebt“, hat er mal gesagt.

Jetzt, da „die Arbeit in Mailand gemacht ist und ich Italien satt habe“, ist Mourinho offen für eine neue Herausforderung, sie wird wohl Real Madrid heißen. Das könnte interessant werden, denn bei Real wird bekanntlich nicht nur erfolgreicher, sondern vor allem schöner Fußball gewünscht. Jupp Heynckes musste 1998 gehen, weil Reals Präsidium den Stil der Mannschaft als zu langweilig empfand. Dass die Mannschaft unter dem ungeliebten Deutschen zum ersten Mal seit 32 Jahren die Champions League gewonnen hatte, fiel nicht weiter ins Gewicht.

José Mourinhos Vorstellung vom Fußball ist das genaue Gegenteil von dem, womit Reals Erzrivale FC Barcelona unter Josep Guardiola das Publikum verzaubert. „El Mundo“ nannte Mourinho nach dem Finale den „Anti-Guardiola“ und philosophierte darüber, der Portugiese habe nach seinem Triumph über die Bayern ein zutiefst verunsichertes Madrid zurückgelassen.

Für den Montag war ein erstes Gespräch mit Reals Präsident Florentino Pérez angesetzt, und angeblich macht Mourinho eine Verpflichtung seines Mailänder Torjägers zur Bedingung für einen Wechsel. Diego Milito sagte in der Nacht von Madrid, er sei „in Mailand sehr glücklich, aber im Fußball weiß man nie, was kommt“. Real Madrid hat er übrigens in bester Erinnerung, aus einem Pokalspiel im Oktober 2006, damals noch in Diensten von Real Saragossa. Der Außenseiter gewann 6:1 und Diego Alberto Milito schoss vier Tore.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false