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Sport: „Der Radsport muss fast bis auf Amateurstatus zurückfallen“

Der Sportvermarkter Hartmut Zastrow hält den Rückzug der Geldgeber für die wirksamste Waffe im Kampf gegen Doping

Herr Zastrow, gab es aus Ihrer Sicht Argumente für die Fortführung des Engagements der Telekom im Radsport?

Nein. Mit jedem weiteren Dopingfall wäre das Risiko gestiegen, dass das auf die Marke zurückschlägt.

War das Image der Telekom nicht bereits beschädigt?

Es gab noch keine negativen Effekte auf die Konzernmarke – das Image des Teams allein war allerdings inzwischen schon grenzwertig. Jetzt war sicherlich der beste Zeitpunkt auszusteigen.

War der nicht sogar schon vor einem Jahr gekommen, als die Telekom stattdessen den Neuanfang als Anti-Doping-Team proklamierte?

Ein Sponsor mit weniger gesellschaftlicher Verantwortung wäre sofort ausgestiegen. Aber die Telekom hatte ja vorher auch stark vom Radsport profitiert und daher – aus meiner Sicht glaubhaft – kommuniziert, dass man alles versucht, den Sport zu retten. Die Fakten sind aber inzwischen so bitter, dass man erkennen musste, man kriegt das Thema Doping nicht in den Griff. Da bleibt letztlich nur der Rückzug als logische Entscheidung. Niemand nimmt der Telekom das übel – jeder sagt, der Radsport ist selbst schuld.

Lange galt Radsport-Sponsoring als besonders effektiv. Würden Sie jetzt noch jemandem dazu raten?

Ganz klar nein. Ich sehe momentan keinen Grund, sich im Radsport zu engagieren – außer vielleicht, wenn man die alte Formel der günstigen Einstiegskurse bemüht. Aber die Spirale nach unten kommt ja jetzt erst in Gang.

Wie hoch beziffern Sie den Verlust des Werbewerts der Sportart in Deutschland seit dem Toursieg Jan Ullrichs 1997?

Man kann davon ausgehen, dass 100 bis 150 Millionen Euro an mit Deutschland assoziierten Werbegeldern verloren gegangen sind. Und das wird nach dem Ausstieg der Telekom eher noch dramatischer. Denn dadurch gehen vor allem den Fernsehsendern Werbegelder verloren, für die Sender ist es also unattraktiver, das Senderecht zu akquirieren. Das führt wiederum für die anderen Sponsoren zu dem Fakt, dass sie weniger zu sehen sind.

Ist der Wertverlust des Radsports nicht vor allem ein deutsches Problem?

Bisher ja, aber die Welle wird irgendwann auch in andere Länder überschwappen. Wenn das Thema Doping nicht unter Kontrolle kommt, wird das langfristig dazu führen, dass sich niemand mehr im Radsport engagiert. Auch spanische Unternehmen können es sich gegenüber den Aktionären nicht leisten, einen dopingverseuchten Sport zu finanzieren.

Könnte der Verlust der Sponsoren den Radsport voranbringen?

Wenn man das Geld als Motivation zum Dopen nimmt, ja. Das hört sich vielleicht ketzerisch an, aber man kann dem Radsport eigentlich nur wünschen, dass er so unattraktiv wird, dass man fast wieder bis auf den Amateurstatus zurückfällt. Wenn dann auch noch der Strafenkatalog verschärft wird, kann es dazu führen, dass der Sport sauberer wird.

Wie steht die Telekom nach 16 Jahren im Radsport da?

Unterm Strich als Gewinner. Die ersten drei Jahre waren sicher übersichtlich. Im Mittelteil gab es vier, fünf Jahre, die hervorragend waren mit einem unwahrscheinlich hohen Return on Investment. Seit einem Jahr, seit den Dopinggeständnissen, lief es nicht mehr so schön. Ich würde sagen, das Sponsoring hat der Telekom mal einen fiktiven Imagegewinn von plus 100 gebracht. Jetzt sind vielleicht noch plus 10 übrig. Insgesamt kann man da zufrieden sein – man geht mit einem kleinen Bonus raus. Aber dazu musste man jetzt auch die Konsequenzen ziehen.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

Hartmut Zastrow, 44, ist Vorstands-

vorsitzender der

Kölner Marktforschungsagentur „Sport + Markt“, die sich unter anderem mit Sponsoring im Sport beschäftigt.

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