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Jochen Schümann, 61, hier nach seinem dritten Olympiasieg, wurde 1976, 1988 und 1996 Olympiasieger. Mit dem Schweizer Team Alinghi gewann er als Sportdirektor 2003 und 2007 den America's Cup.

© dpa

Berliner Olympiasieger Jochen Schümann: „Der Segler gewinnt – und nicht das Boot“

Segel-Olympiasieger Jochen Schümann über die Soling-Europameisterschaft auf dem Müggelsee und die Aussichten der Deutschen für Rio de Janeiro 2016.

Herr Schümann, Sie sind der erfolgreichste deutsche Segler der Geschichte, haben drei Mal olympisches Gold geholt und als Sportdirektor zweimal den America’s Cup gewonnen. Nun gehen Sie bei der SolingEuropameisterschaft, die noch bis Sonnabend auf dem Müggelsee in Berlin ausgetragen wird, an den Start. Was treibt Sie noch an?

Ich bin durch und durch Sportler. Und in meinem Sport bin ich bis heute Perfektionist geblieben. Ich will perfekt sein in der Vorbereitung und dann will ich perfekt sein auf dem Wasser. Und es macht mir immer noch Spaß. Als Kapitän auf einem Segelboot bist du wie ein Dirigent in einem kleinen Orchester. Du musst versuchen, dass alles geschmeidig und flüssig ineinander übergeht.

Ein Grund für Ihre Teilnahme dürfte auch sein, dass Sie als gebürtiger Ostberliner zu Ihren Wurzeln zurückkehren.
Das stimmt. Ich lebe aus beruflichen Gründen seit 1992 nicht mehr hier. Nun treffe ich auf viele alte Bekannte, zum Beispiel auf meine alte Crew. Mit Thomas Flach bin ich von 1985 bis 1996 gesegelt, mit Ingo Borkowski von 1996 bis 2000. Die Zeit mit ihnen ist mit vielen Erfolgen verknüpft.

Der Müggelsee erlebt nach fast 100 Jahren Regattatradition seine Premiere als Austragungsort einer kontinentalen Meisterschaft. Warum erst jetzt?
Das ist eine gute Frage. Schließlich bietet dieser See die besten Bedingungen für solch eine Veranstaltung. Das ist ja auch der Grund, weshalb so viele erfolgreiche Segler von hier kommen. Seit 1972 kommen viele der besten Solingsegler vom Yachtclub Berlin-Grünau, der jetzt auch die aktuelle Europameisterschaft ausrichtet.

In der Soling-Klasse gewannen Sie dreimal olympisches Gold. Sie müssen eine besondere Beziehung zu diesem Boot haben.
Natürlich. Die Soling ist ein tolles Boot. Sie ist sehr werthaltig und nicht kaputtzukriegen. Die meisten Boote hier bei der Europameisterschaft sind schon 15 Jahre alt oder älter. Aber das beste an der Soling-Klasse ist, dass die Boote nahezu gleich sind. Das Level des Materials ist extrem identisch. Deswegen gewinnt hier der beste Segler und nicht der, der das beste Boot hat.

Und trotzdem fanden olympische Soling-Wettbewerbe zuletzt im Jahr 2000 in Sydney statt. Danach fiel die Bootsklasse aus dem Programm.
Ja, und die Soling-Klasse wird mit Sicherheit auch nicht mehr olympisch werden. Sie ist scheinbar nicht mehr spektakulär genug für Olympische Spiele, wo leichtere und schnellere Boote für junge, leichte Leute gewünschter sind.

Apropos Olympische Spiele – die großen Erfolge blieben zuletzt aus deutscher Sicht aus. Befindet sich der deutsche Segelsport Ihrer Meinung nach in der Krise?
Es stimmt, wenn man die Olympischen Spiele betrachtet. Aber gerade dieses Jahr stimmt mich zuversichtlich. Ich denke da zum Beispiel an Philipp Buhl, der 2015 zwei Weltcups gewinnen konnte und Vizeweltmeister wurde. Er ist ein Medaillenkandidat für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Rio de Janeiro. Auch andere deutsche Segler ließen zuletzt mit Medaillenplatzierungen aufhorchen. Der Trend geht in die richtige Richtung.

Die Wasserqualität in Rio de Janeiro bereitet Sorgen. Ist die Verschmutzung der Gewässer bis zum nächsten Jahr noch in den Griff zu bekommen?
Das ist natürlich ein Problem. Aber ich erinnere mich, dass die Probleme mit der Wasserqualität vor den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona ähnlich waren. Das war auf Deutsch gesagt ein Drecksloch. Als dann die Spiele stattfanden, war es aber okay. Auch anschließend wurde die Wasserqualität immer besser. Ich hoffe auf ähnliche Effekte in Rio. Auf der anderen Seite müssen sich die Sportler und die medizinische Abteilung der Olympiamannschaft gut auf die Problematik einstellen.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Wird man Sie einmal, in welcher Funktion auch immer, als Teilnehmer eines deutschen Bootes beim America’s Cup erleben?
Die Voraussetzung wäre, dass einer der jungen deutschen Segler eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewinnt. Nur dann werden sich Sponsoren finden lassen, um wieder ein deutsches Team zu formieren. Gerne wäre ich dann dabei. Doch es muss vieles dafür zusammenkommen, damit ein deutsches Boot an den Start geht. Ich denke nicht, dass das in den nächsten Jahren passieren wird. Das Potenzial in Deutschland wäre zwar da. Doch nur Potenzial hilft leider nicht. Man muss es auch machen.

Das Gespräch führte Martin Einsiedler.

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