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Sport: Der Sieger lernt

Boxprofi Brähmer schlägt Thysse nach Punkten

Düsseldorf - Tief in der Nacht stand Jürgen Brähmer auf der Vip-Party und unterhielt eine ganze Traube von Menschen. Der Boxer, der gegen Mitternacht über zwölf Runden hatte gehen müssen, ehe er den Südafrikaner André Thysse klar nach Punkten bezwungen hatte, bekam seine zweite Luft. Er erzählte ohne Unterlass, er genoss das Interesse an seinem Kampf. Vor allem musste der 27 Jahre alte Super- Mittelgewichtler erklären, warum er seinen neun Jahre älteren Gegner nicht hatte auf die Bretter schicken können. Das ist schließlich seine Spezialität. 22 seiner bis dahin 26 Kämpfe hatte der Rechtsausleger aus Schwerin durch K. o. gewonnen.

Noch im Ring ergriff Jürgen Brähmer das Mikrofon und entschuldigte sich beim Düsseldorfer Publikum. „Es tut mir Leid, wie der Kampf gelaufen ist. Ich wollte eigentlich besonders schön boxen und hoffe, dass ich beim nächsten Mal wieder mehr zeigen kann“, sagte er. An seinem Punktsieg (117:112, 117:111, 117:111) gab es allerdings keine Zweifel. Damit ist der Schweriner wieder internationaler Meister des World Boxing Council (WBC). Das ist jener Titel, den er wegen seiner mehrjährigen Freiheitsstrafe verloren hatte.

„Ich hätte mein Versprechen gerne wahr gemacht und den Zuschauern einen K.-o.-Sieg beschert. Aber es sollte einfach nicht sein“, sagte Brähmer zur vorgerückter Stunde in einem Nebenraum im Burg-Wächter-Castello. 3000 Zuschauer waren in die Halle gekommen, um das vielleicht größte Talent des deutschen Boxens seit Jahren zu sehen. Das ZDF, das den Kampf live übertrug, freute sich über die Quote. In der Spitze schalteten mehr als fünf Millionen Haushalte ein.

Im dritten Kampf nach seiner Haftentlassung ging Brähmer gleich zu Beginn volles Risiko. Entgegen der von seinem Trainer Michael Timm vorgegebenen Kampfstrategie versuchte es Brähmer mit Gewalt. In den ersten Ringpausen wurde er von Timm stets zurückgepfiffen: „Was machst du denn hier“, blaffte Timm seinen Schützling an. Er, Brähmer, möge doch ruhiger, sachlicher boxen. Aber Brähmer wollte davon zunächst nichts wissen. Er wollte zu schnell zu viel, er schlug zu hart und zu unpräzise. In der Ringpause nach der fünften Runde klagte er schließlich über Schmerzen in seiner linken Schulter, der Schulter seiner Schlaghand. Von da an musste er sich durchbeißen. „Ich wollte ein schnelles Ende erzwingen. Das war ein Fehler. Mir fehlt es eben noch an Erfahrung“, sagte Brähmer hinterher.

Erst das zweite Mal in seiner Karriere als Profi seit 1999 musste der Schweriner über die volle Distanz gehen, bleibt aber weiterhin ungeschlagen. Der Südafrikaner, der im Frühjahr 2004 auch mit dem deutschen WBC-Weltmeister Markus Beyer über zwölf Runden gegangen war und dabei ebenfalls klar nach Punkten verlor, steckte viele schwere Treffer weg. Mit zunehmender Kampfdauer aber bekam Brähmer konditionelle Probleme. Der erfahrene Thysse spürte das und brachte den Mecklenburger in den letzten beiden Runden sogar in Bedrängnis. „Die letzte Runde war Mist. Ich hatte mir vorgenommen, ihn mit einem linken Haken zu Boden zu schicken“, sagte Brähmer. Die Schulterverletzung, die jetzt in Hamburg noch genauer untersucht werden soll, wollte er aber nicht als Entschuldigung gelten lassen.

„Ich bleibe dabei“, sagte Brähmer, „ich will in den nächsten zwölf Monaten Weltmeister werden.“ Der Sieg über den hoch eingeschätzten Thysse bringt Brähmer diesem Ziel ein ganzes Stück näher. Aber der Kampf hat auch gezeigt, dass er trotz seiner außergewöhnlichen Veranlagung noch einiges zu lernen hat. Vor allem im taktischen Bereich, denn nur mit Schlaghärte und Bewegungstalent allein wird man kein großer Champion. Brähmer muss geduldiger werden. Er muss erkennen, dass er die Jahre in Haft nicht im Boxring einfach so zurückholen kann. „Dieser Fight war eine gute Erfahrung und zeigt uns, was es noch zu verbessern gilt“, sagte Trainer Michael Timm. Ganz ähnlich äußerte sich der geschlagene Südafrikaner. „Jürgen hat einen harten Schlag, aber er braucht noch zwei, drei Kämpfe, eher er gegen die ganz Großen bestehen kann“, sagte Thysse.

„Da liegt noch viel Arbeit vor uns“, sagte Klaus-Peter Kohl, Brähmers Promoter: „Wir geben Jürgen die Zeit, die er braucht. Jetzt hat er sich erst mal eine Pause verdient.“ Tsp

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