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Sport: Der Skandal lebt

Nach wochenlanger Aufregung ist die Manipulationsaffäre langsam in den Hintergrund gerückt – doch jetzt gab es zwei Verhaftungen

Berlin - Wochenlang tauchte das Bild des jungen, hochgewachsenen Mannes so häufig in Fernsehsendern, Zeitungen und Magazinen auf, dass sich fast jede Einzelheit ins Gedächtnis der Zuschauer einbrannte: die gut geschnittenen Gesichtszüge, das gegelte, blonde Haar, die wuchtige Größe von fast zwei Metern, der verstört wirkende, aber nie ganz ergründbare Blick. Robert Hoyzer, wahlweise als „Skandalschiedsrichter“, „Schande des deutschen Fußballs“ oder „arroganter Schnösel“ bezeichnet, hatte es zur berüchtigten Medienfigur gebracht. Er gilt nicht als Drahtzieher der Affäre, aber ohne ihn wäre nichts gelaufen. Hoyzer hatte Spiele verpfiffen. Doch in den letzten Wochen ist es ruhiger geworden um ihn, und Fußball wurde wieder stärker als reiner Sport beschrieben, nicht mehr als Teil von kriminellen Machenschaften. Bis am Donnerstag der Berliner Schiedsrichter Dominik Marks verhaftet wurde. Und am Freitag der Regionalliga-Spieler Steffen Karl. Stationen einer Affäre, die Deutschlands Fußball erschütterte.

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Der Moment, an dem der Wettskandal ganz langsam vom Alltag des Fußballs wieder geschluckt wurde, war Freitag, der 25. Februar, kurz nach 15 Uhr. Da tauchte Michael Grunwald, der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft aus dem wuchtigen Gebäude des Landgerichts Berlin auf und sagte in die Mikrofone, die ihm wie Speere entgegengestreckt wurden, lapidar: „Schiedsrichter Robert Hoyzer hat Haftverschonung erhalten. Er ist seit 12.30 Uhr wieder auf freiem Fuß.“ Gegen Auflagen allerdings. Sein Reisepass wurde eingezogen, er muss sich drei Mal pro Woche bei der Polizei melden. Er war zwei Wochen in Haft. Der 25-Jährige hatte vor der Staatsanwaltschaft über alle Spiele ausgesagt, die er 2004 geleitet hatte. Weitere dramatische Enthüllungen, das sickerte durch, hatte er offenbar nicht geliefert. Damit war die größte Spannung weg, jedenfalls bei Fans, Medien und Verbandsfunktionären. Die Staatsanwaltschaft hatte einen Wust von Details abzuarbeiten, nicht spannend genug, um die Masse damit täglich in Atem zu halten.

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In einem Gebäude an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt (Main) bereiteten sich andere Juristen darauf vor, die Trümmer abzuarbeiten, die Hoyzer durch seine manipulierten Spiele erzeugt hatte. Dort sitzt der Deutsche Fußball-Bund (DFB), und dessen Sportgericht hatte sich mit 16 Einsprüchen gegen Spielwertungen im Zusammenhang mit dem Wettskandal zu befassen. So sah es am Anfang jedenfalls aus. 16 Spiele, die Hoyzer geleitet hatte, sollten wiederholt werden, das verlangten diverse Vereine, die sich betrogen fühlten. Doch als sich die Vereinsfunktionäre, nach ihren empörten, publikumswirksamen Einsprüchen, in die mühsame Kleinarbeit vertieften, legte sich die Aufregung sehr bald. DFB-Präsident Theo Zwanziger hatte schon früh erklärt, dass mit „Sicherheit zahlreiche Einsprüche abgelehnt“ würden, weil Hoyzer genau aufgelistet habe, „in welchen Spielen er manipuliert hat, bei welchen er es erfolglos versucht hat, und bei welchen er es gar nicht erst versucht hat“. Nur wenn ein Verein eine Manipulation zweifelsfrei nachweise, könne ein Wiederholungsspiel angesetzt werden, sagte Zwanziger. Das wirkte abschreckend genug. Immer mehr Vereine zogen ihre Einsprüche zurück, der KFC Uerdingen sogar eine Stunde vor Verhandlungsbeginn. Einige Vereine blieben aber hart, darunter der 1. FC St. Pauli. Er wollte das Regionalliga-Spiel gegen Osnabrück wiederholen. Doch das Sportgericht lehnte ab, mit einem bemerkenswerten Grundsatzurteil: „Die Frage war, ob jedes Spiel, das von Hoyzer gepfiffen worden ist, annuliert werden muss“, sagte Rainer Koch, der Vorsitzende des Sportgerichts. Nein, befanden die Richter, jedenfalls nicht ohne klare Beweise. St. Pauli legte Berufung ein. Auch andere Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Zum Beispiel die Entscheidung zum Zweitliga-Spiel Ahlen – Burghausen, geleitet von Robert Hoyzer. Hier hatte der Schiedsrichter die Manipulation gestanden. Das Sportgericht urteilte: Spielwiederholung. Ahlen ging in die Berufung. Fest steht dagegen, dass die Regionalliga-Partie Hertha BSC – Arminia Bielefeld (2:1) wiederholt wird. Auch hier habe der Schiedsrichter manipuliert, sagte Hoyzer. Der Name des Schiedsrichters: Dominik Marks. „Es besteht weiter dringender Tatverdacht gegen Marks“, sagt Koch in seiner Urteilsbegründung. Doch in der Flut der Einsprüche und deren Rücknahmen geht dieses Zitat öffentlich unter.

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Irgendwo auf einer Straße in Rheinland-Pfalz sitzt Markus Merk im Auto und redet über die Freisprechanlage. Hoyzer hat seit kurzem Haftverschonung, die Situation hat sich inzwischen beruhigt. „Wir müssen weiter kämpfen, wir müssen alles tun, um zu zeigen, dass wir Schiedsrichter das Bestmögliche auf dem Platz machen“, sagt Merk. Markus Merk ist zum Welt-Schiedsrichter gewählt worden. Er gilt als moralische Instanz. Merk gibt seit Stunden Interviews, er redet sich als Botschafter der Ehrlichkeit den Mund fusselig. Einer wie Merk hilft dabei, dass die Fans Fußball wieder stärker als Sport wahrnehmen.

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Aber auch Merk ist kein Hellseher. Er kann nicht ahnen, was am 24. Spieltag der Bundesliga passiert. Da taucht, indirekt, der Wettskandal bei den aufgeschreckten Fans wieder als Thema auf. Schiedsrichter Manuel Gräfe pfeift beim Spiel des 1. FC Nürnberg gegen Borussia Dortmund (2:2) drei höchst umstrittene Strafstöße, zwei für Nürnberg, einen für Dortmund. Die Fans brüllten minutenlang „Schieber“. Ausgerechnet Gräfe, auch eine Figur im Wettskandal: Er hatte mit drei Kollegen Hoyzer beim DFB gemeldet. Zur gleichen Zeit im Berliner Olympiastadion: Hertha-Fans brüllen Schiedsrichter Gagelmann ihre Verachtung entgegen. Gagelmann hatte im Spiel gegen Kaiserslautern zwei regulär erzielte Hertha-Tore nicht gegeben. Später entschuldigte er sich. Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell verfolgte Gräfes Spiel auf der Tribüne. Er stellte den Bezug zu Hoyzer ganz offiziell her. „Wir haben heute die bislang deutlichsten Auswirkungen der letzten Wochen gesehen“, sagt er. Jetzt sei psychische Hilfe angebracht. Gräfe weist den Hinweis auf psychische Belastungen durch den Wettskandal entschieden zurück.

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Mitte der Woche erscheint in „Sport-Bild“ ein Interview mit Marks. Er bestreitet wieder mal alle Vorwürfe. Es war das erwartete Statement, die Chance war groß, dass man es schnell wieder abhakt. 48 Stunden danach wird Marks vorläufig festgenommen, er muss in Untersuchungshaft. Einen Tag später wird Steffen Karl vom Chemnitzer FC festgenommen, erstmals trifft es damit einen Spieler. Auch er wird von Hoyzer belastet.

Robert Hoyzer ist immer noch frei. Er wurde in einer Berliner Bar gesehen, er lebt angeblich in Spandau bei seinem Vater. Einzelheiten von Hoyzer sind wieder überaus interessant geworden.

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