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Sport: Der stille Sieger

Jens Eriksen hält Eintracht Südring auf Meisterschaftskurs

Berlin. Was auffällt, ist, dass er so wenig auffällt. In Spielpausen sitzt er meist allein auf der Bank und nimmt ab und zu einen tiefen Schluck aus seiner Wasserflasche. Während die anderen ihre Teamkameraden lautstark anfeuern, begnügt er sich mit kurzen, unverständlichen Zwischenrufen. Auffällig an ihm ist aber, dass er ein anderes Trikot trägt als die anderen Spieler des Berliner Badminton-Bundesligisten Eintracht Südring: grau statt grün-türkis. Darauf besteht sein privater Sponsor. Den Verein kostet das pro Spiel 50 Euro Strafe – wegen uneinheitlicher Kleidung. Doch das nimmt Eintracht Südring in Kauf, denn der, der so bescheiden daherkommt, ist Südrings neuer Star, Jens Eriksen aus Dänemark.

„Wir haben noch nie einen solchen Spitzenmann gehabt“, sagt Manager Rainer Behnisch. Eriksen ist fünffacher Europameister, Erster der Weltrangliste im Mixed-Doppel und Zweiter im Herren-Doppel. Und das, obwohl er nicht mal Profi ist. Während die meisten Spieler zwei Trainingseinheiten am Tag absolvieren, genügen dem Dänen zwei Stunden am Vormittag. „Ich trainiere jeden Tag von neun bis elf“, sagt er. Danach geht er arbeiten. Er ist Gabelstaplerfahrer und belädt Lastwagen. Um vier Uhr hat er – bis auf Dienstag und Freitag – Feierabend. Bliebe da nicht noch Zeit zu trainieren? „Theoretisch schon, aber ich fahre dann lieber nach Hause zu meiner Familie.“ Für die hätte er sonst zu wenig Zeit. Von Januar bis Mai ist er auch nicht zu Hause, weil er da mit der dänischen Nationalmannschaft an Turnieren in der ganzen Welt, vor allem in Südostasien, teilnimmt.

Mit fünf Jahren begann der heute 32-Jährige mit dem Badminton. Inspiriert haben ihn seine Eltern, die selbst dreißig Jahre gespielt haben. Nach Deutschland kam er, weil es hier bessere Gegner gibt. In Kopenhagen, wo er zuvor gespielt hat, gibt es insgesamt nur zwei Badmintonklubs. „Und mehr Geld gibt es hier auch“, sagt er. „Wir haben lange verhandelt, weil seine Forderungen am Anfang viel zu hoch für uns waren“, sagt Behnisch, der aber nicht lockerließ, und so einigte man sich im Frühjahr auf eine Summe „zwischen 4000 und 6000 Euro pro Saison“, wie Eriksen sagt.

Bisher hat sich diese Investition gelohnt, denn auf dem Platz ist von der Unauffälligkeit am Spielfeldrand nichts mehr zu spüren. Von zwölf Spielen hat Eriksen nur eines verloren. „Er mag wenig trainieren, aber er hat eine unglaubliche Technik und ist sehr schnell. Vor allem aber ist er unheimlich motiviert“, sagt Behnisch. Mit einem wie Eriksen hofft Südring, in dieser Saison die deutsche Meisterschaft zum fünften Mal seit 1997 zu gewinnen. Nach sechs Spieltagen sind die Berliner ungeschlagen und stehen an der Spitze der Tabelle. Heute kommt Meister Bayer Uerdingen zum letzten Spiel der Hinrunde (14 Uhr, Kohlfurter Straße). „Wir wollen Tabellenerster bleiben, denn dann dürfen wir wählen, ob wir unser erstes Spiel in den Play-offs im Frühjahr zu Hause oder auswärts bestreiten wollen“, sagt Behnisch. „Ich denke, dass wir es schaffen können, wobei Uerdingen unser schwerster Gegner ist.“

Vielleicht wird sich dann ja auch Jens Eriksen dazu durchringen, die Mannschaftskameraden anzufeuern.

Jutta Meier

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