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Gruppenbild mit Zebra. Die Handballer des THW Kiel und ihr Maskottchen lassen sich auf dem Rathausbalkon ausgiebig hochleben. Foto: dpa

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Handball: Der THW Kiel feiert ausgelassen Meistertitel und Champions-League-Sieg

Zur Doppelsieg-Feier charterten die Handballer des THW Kiel ein Flugzeug und flogen eine Schleife über der Stadt. In der nächsten Saison wollen sie den Erfolg wiederholen. Die Kernmannschaft bleibt.

Es war kurz vor Mitternacht, als Alfred Gislason die Menge mit einem Stunt überraschte. Während die rund 20 000 Fans auf dem Kieler Rathausplatz den Trainer des THW Kiel mit „Alfred, Alfred“-Chören feierten, sprang er kurzerhand auf das steinerne Geländer des Rathausbalkons und reckte die Arme in die Höhe. Manch einer erschrak angesichts der Höhe des Balkons. Der furchtlose 50-jährige Isländer aber grinste nur schelmisch. Er betrachtete diese Aktion offenbar als angemessene Schlussgeste für die „Wahnsinnssaison“.

Ein paar Stunden zuvor hatten die Kieler Spieler diese Saison gekrönt mit der 16. deutschen Meisterschaft. Mit 0:4 hatten sie zwar zu Beginn der letzten Partie beim heimstarken TV Großwallstadt zurückgelegen, aber letztlich hatte das Team um Kapitän Marcus Ahlm beim 27:24 (14:9)-Sieg nie Zweifel aufkommen lassen. Immer dann, wenn es nötig war, trafen sie. Entweder jagten die Rückraumstars Filip Jicha und Daniel Narcisse den geharzten Ball in die Maschen. Oder der in den vergangenen Wochen überragende Christian Zeitz erhöhte mit seinem Stemmwurf. Oder Momir Ilic verwandelte trotz Kreuzbanddehnung nervenstark die Siebenmeter. „Ich bin wirklich stolz auf diese Mannschaft“, sagte Gislason. Der Trainer fand auch tröstende Worte für den Zweitplatzierten HSV Handball, der am Ende nur einen Punkt zurücklag. „Auch der HSV hat eine starke Saison gespielt.“

Das Fest am Samstagabend hatte damit begonnen, dass die gecharterte Maschine des THW eine Schleife über die Stadt flog, unter dem Gekreische der Fans. Per Autokorso ging es ins Rathaus, im ersten Cabrio präsentierte Kapitän Ahlm die Meisterschale, während Jicha den schweren Goldpokal stemmte, den der THW am Wochenende zuvor in der Champions League gewonnen hatte. Schließlich stellte Hallensprecher Rolf Körting jeden einzelnen Handballer unter einem schwarz-weißen Konfettiregen auf dem Balkon vor, bevor die Mannschaft sich auf eine Musikbühne begab. Die Profis wurden dabei umjubelt wie Popstars. „Ein solcher Jubel war hier noch nie“, sagte die Kieler Geschäftsführerin Sabine Holdorf.

Die pure Ausgelassenheit bei Fans und Team erklärt sich dadurch, dass viele Experten den THW vor der Spielzeit nicht in der Favoritenrolle gesehen hatten, sondern den HSV. Es schien unvorstellbar, dass die Kieler den Verlust der drei Schlüsselfiguren Stefan Lövgren, Nikola Karabatic und Vid Kavticnik würden kompensieren können. Aber der THW konnte. Trotz einiger Leistungsdellen, speziell zu Beginn der Rückrunde, schlüpften Jicha und Ahlm in die Führungsrolle, die Lövgren lange bekleidet hatte. Torhüter Thierry Omeyer überragte wie gewohnt. Und auch Sprungwunder Daniel Narcisse kam am Ende in die nötige Form, um die leichten Tore aus dem Rückraum zu erzielen.

Kein Wunder, dass die Kieler Verantwortlichen die Triumphe in der Champions League und in der Meisterschaft mit großer Genugtuung genossen. Die neue Führungsebene um Aufsichtsratschef Klaus-Hinrich Vater, die im Sommer 2009 wegen der immer noch ungeklärten Manipulationsvorwürfe installiert worden war, kann nun in Ruhe arbeiten. „Es ist sensationell, mit welcher Moral diese Mannschaft spielt“, lobte Vater. Und er räumte ein, mit der Verpflichtung des Rekordtransfers Narcisse, der über eine Million Euro Ablöse gekostet hatte, ein „unternehmerisches Risiko eingegangen zu sein, aber dieses Risiko hat sich, wie man sieht, ausgezahlt“.

Trainer Gislason, der im Sommer 2008 verpflichtet worden war, hat nun endgültig jene Kritiker eines Besseren belehrt, die behaupteten, in Wirklichkeit seien die Erfolge nur Ergebnis der Trainerkünste seines Vorgängers Noka Serdarusic. Alle Handballexperten rühmten Gislasons taktisches Geschick im Champions-League-Finale, als er 20 Minuten vor Schluss in Igor Anic, Hendrik Lundström und Börge Lund frische Leute brachte und so ein spektakuläres Comeback einläutete.

Die schlechte Nachricht für die nationale und europäische Konkurrenz besteht darin, dass der THW in der nächsten Saison noch stärker sein dürfte. Denn neben Abwehrspezialist Daniel Kubes, der aus Lemgo transferiert wurde, kommt mit dem Serben Milutin Dragicevic aus Silkeborg einer der stärksten Kreisläufer der Welt. Der Stamm des Teams jedoch bleibt erhalten. Man werde in der kommenden Saison daher noch eingespielter sein, prophezeite Trainer Gislason, aber er warnte zugleich: „Aber wir werden uns noch weiter steigern müssen, um weiter oben zu bleiben.“

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