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© dpa

Sport: „Der THW Kiel ist immer Favorit auf den Titel“

Guillaume und Bertrand Gille vom HSV Hamburg über ihre Zeit in Deutschland, die Handball-Bundesliga und die Lust am Feiern

Sie sind Brüder, wohnen nahe beieinander und verstehen sich sehr gut. Wird auch zu Hause nur über Handball geredet?

GUILLAUME: Nein, so karikaturenhaft sind wir nicht. Wenn wir nach Hause kommen, ist Handball abgehakt. Es dreht sich doch sonst alles darum.

BERTRAND: Ich will meine Arbeit nicht mit nach Hause bringen.

Sie beide sprechen hervorragend Deutsch. Wie viel Deutsch konnten Sie, als Sie 2002 aus Chambéry kamen?

BERTRAND: Wir hatten Deutsch in der Schule, aber es war nicht viel übrig geblieben. Ein paar Vokabeln nur. Wir haben uns viel Mühe gegeben, erst zu verstehen und uns dann zu verständigen.

Andere Sportler haben noch nach Jahren den Übersetzer dabei.

GUILLAUME: Unser deutsches Abenteuer war von Anfang an eine ganz wichtige Sache für unsere persönliche Entwicklung. Wir wollten uns so schnell wie möglich integrieren, unseren Platz in der Gemeinschaft finden, in der Stadt. Dafür brauchst du die Sprache. Ohne sie bist du isoliert. Das wollten wir auf keinen Fall.

BERTRAND: Ich fand vor allem die Artikel schwer: der, die, das. Man braucht viel Zeit dafür. Viele Deutsche machen auch Fehler, was der, die, das angeht. Deswegen mache ich mir keinen Kopf.

Wie war es, als Sie 2002 zum HSV kamen?

BERTRAND: Es war ganz anders, als wir es uns vorgestellt hatten. Uns war ja viel versprochen worden, aber es wurde wenig gehalten. Es war alles noch aufzubauen. Inzwischen sind wir froh und stolz, die lange Aufbauphase mitgemacht zu haben. Ich habe mir eine langfristige Geschichte mit einem Verein gewünscht. Ich bin nicht der Typ, der durch ganz Europa wandert. Das, was ich mir vor sieben Jahren für mein sportliches Leben vorgestellt habe, ist wahr geworden.

Haben Sie 2002 eine Entwicklung zu einer der weltbesten Mannschaften für möglich gehalten oder eher gedacht: Meine Güte?

GUILLAUME: Es war definitiv der zweite Eindruck. Wir hätten aber schon gedacht, dass die Verantwortlichen dieses Projekt anfangs besser umsetzen. Da gab es so viele Fehlentscheidungen, die haben es uns richtig schwer gemacht. Aber jetzt sind wir durch, haben es geschafft, durch unser Engagement etwas zu bauen, das eine Identität hat.

Haben Sie den Entschluss mal bereut? Der HSV stand mehrfach vor der Pleite.

BERTRAND: Zwischendurch hatte ich Zweifel, als wir nicht mehr wussten, ob es hier überhaupt weitergeht. Aber bereut – eigentlich nicht. Es war schon unangenehm daran zu denken, noch mal weg zu müssen, weil nichts mehr geht.

GUILLAUME: Aber solche Entscheidungen gehören zum Profigeschäft. Meistens sind die Kinder die Leidtragenden. Sie werden rausgerissen, wenn sie gerade irgendwo heimisch geworden sind, weil der Papa den Verein wechselt. Wir haben das Glück, dass es trotz der vielen Tiefs weiterging beim HSV und die Perspektive von Jahr zu Jahr besser wurde.

Am Sonntag treten Sie zum Spitzenspiel in Kiel an. Ist Ihr Team mit den teuren Einkäufen Vori und Duvnjak stark genug, Deutscher Meister zu werden?

BERTRAND: Der THW Kiel ist so super aufgestellt, dass er immer der Favorit auf den Titel ist. Ich will nach meiner Achillessehnenverletzung meinem Team helfen, wenn auch nur ein paar Minuten. Aber den Jungs gegen Kiel zu helfen, wäre schön, denn es wird dort schwer genug.

Die Manipulationsaffäre um verschobene Spiele in Kiel ist nicht aufgeklärt. Wie finden Sie das?

GUILLAUME: Man hört wenig. Das ist schade. Man muss die Erklärungen bis zum Ende auf den Tisch legen. Gibt es Beweise für Schiedsrichterbestechungen oder nicht? Ich sehe nur Nebel, der alles verschleiert. Das ist am schlimmsten.

Könnten Sie sich vorstellen, nach Frankreich zurückzukehren und in einer Liga zu spielen, in der die Belastung geringer ist, wie es Nikola Karabatic getan hat?

BERTRAND: Wir haben hier so einen Spaß. Das ist ja das Perverse! Wenn wir nur leiden würden … Aber wir haben hier alles, was ein Profi sich wünschen kann. GUILLAUME: Ich fühle mich zu Hause, aber manchen Rotwein muss ich importieren.

Fühlen Sie sich schon als halbe Deutsche?

BERTRAND: Unsere Völker sind sich vom Typus her ähnlich. Es ist kein Wunder, dass wir hier klarkommen. Wenn alles anders wäre als zu Hause, wäre es schwieriger. Ich mag die Deutschen dafür, dass sie zusammen feiern können. Das führt auch zu einem Nachteil: Ihr habt sehr schnell eine einzige Meinung. Wenn zwei Franzosen die gleiche Meinung haben und ein Dritter kommt hinzu, sagt er: Seid ihr bescheuert? Das ist doch ganz anders! Das ist unsere Kultur. Wir sind nie einer Meinung.

Das Gespräch führte Frank Heike.

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