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Sport: Der Tour-Sieger ist fristlos entlassen

Sofort nach Bekanntwerden der positiven B-Probe rückt das Radsportteam Phonak von Floyd Landis ab

Die Erklärungen waren in der vergangenen Woche immer hilfloser geworden. Der stark überhöhte Testosteronquotient in seinem Körper sei wahrscheinlich durch den Konsum von Alkohol vor seinem Husarenritt auf der 17. Etappe der diesjährigen Tour de France zustande gekommen, hatte Gewinner Floyd Landis zunächst behauptet. Mehrere Bier habe er getrunken und eine Flasche Whiskey kreisen lassen. Dann warfen er und seine Anwälte die Theorie in den Raum, die Anstrengung könne zu seiner Dehydration geführt und so den außergewöhnlichen Wert verursacht haben. Oder die Medikamente, die der Amerikaner wegen seiner schadhaften Hüfte und seiner Schilddrüsen-Fehlfunktion nehmen darf, ließen die Werte verrückt werden. Schließlich zweifelten sie an der Zuverlässigkeit des Dopinglabors in Chatenay-Malabry vor den Toren von Paris, das den positiven Befund erstellt hatte.

Am Samstag bestätigte nun die Analyse der B-Probe das Ergebnis der ersten Untersuchung. Verfahrensfehler sind nach dieser zweiten Untersuchung nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen, ein Laborfehler liegt also nicht vor. Landis’ Schweizer Team Phonak zögerte keinen Augenblick, seinen Top-Angestellten vor die Tür zu setzen. „Landis wird deshalb fristlos entlassen, weil er gegen den internen Ethik-Code des Teams verstoßen hat“, heißt es auf der Website des Unternehmens, „Landis hat weiterhin rechtliche Optionen, den Befund anzufechten. Dies ist allerdings seine Privatsache und hat mit dem Phonak-Team nichts mehr zu tun.“ Tour-de-France-Direktor Christophe Prudhomme geht davon aus, dass der Amerikaner als erster Sieger in die 103-jährige Geschichte des Rennens eingehen wird, der seinen Titel abgeben muss. „Ich bin nicht überrascht“, sagte Prudhomme, „für uns ist Landis nicht mehr der Champion.“ Er erwartet, dass der zweitplatzierte Spanier Oscar Pereiro nun zum Gesamtsieger gekürt wird, „ich kann mir keinen anderen Ausgang des Verfahrens vorstellen“. Pereiro sagte: „Nachdem ich das Ergebnis der B-Probe erfahren habe, fühle ich mich als Sieger der Tour.“ Er bedauere es, dass er den Titel nicht in Paris habe feiern können. „Das Foto von der Ankunft in Paris kann mir niemand ersetzen“, sagte Pereiro. Andreas Klöden vom Team T-Mobile würde auf Platz zwei vorrücken.

Doch bis dahin wird es aller Voraussicht nach noch einen langen juristischen Streit geben. Landis hatte bereits vor dem Bekanntwerden des Ergebnisses der B-Probe angekündigt, dass er alle Rechtswege ausnutzen wolle, um seine Unschuld zu beweisen. Er beteuert weiterhin, keine unerlaubten Mittel genommen zu haben. „Ich werde kämpfen, um meinen Namen reinzuwaschen“, schreibt er auf seiner Website, „ich habe während der Tour nicht aufgegeben, und ich werde es auch jetzt nicht tun.“ Neben dem Testosteron-Epitestosteron-Quotienten, der fast dreimal so hoch liegt, wie es die Obergrenze der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) erlaubt, belastet Landis offensichtlich auch eine Isotopenanalyse. Sowohl Landis’ Arzt als auch seine Anwälte haben Berichte bestätigt, wonach deren Ergebnis zeigt, dass der Radprofi Hormone im Blut hatte, die von außen zugeführt wurden.

Landis’ Anwalt Jose-Maria Buxeda versucht deshalb seit Tagen, die Zuverlässigkeit des von der WADA akkreditierten Dopinglabors in Frankreich in Zweifel zu ziehen. Was er und seine Kollegen noch als Trümpfe im Ärmel haben könnten, lässt sich schwer einschätzen. Außer allerlei Verschwörungstheorien präsentierten sie bislang keine plausiblen Gegenbeweise. Buxeda geht davon aus, dass es erst im Dezember oder im Januar eine rechtskräftige Entscheidung in dem Fall geben wird. Die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA wird Landis nun zunächst die Möglichkeit einräumen, sich das Belastungsmaterial anzusehen. Danach findet eine Anhörung des Beschuldigten statt, ehe eine Entscheidung über eine Strafe fällt. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, droht Landis neben der Aberkennung des Tour-Titels eine zweijährige Sperre. Gegen eine solche Entscheidung könnte er dann noch vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS ziehen.

Leute aus dem Umfeld des Amerikaners gehen davon aus, dass er bis zum Letzten kämpfen wird. „Er igelt sich bereits ein und bereitet sich auf einen langen Prozess vor“, sagt Jonathan Vaughters, der einst gemeinsam mit Landis und dem siebenmaligen Tour-Sieger Lance Armstrong im US-Postal-Service-Team die Frankreich-Rundfahrt bestritt. „Er ist sehr entschlossen, seine Unschuld zu beweisen“, sagte Vaughters weiter, „und so wie ich das sehe, wird er so lange sich selbst verteidigen, bis seine Finanzen erschöpft sind.“

Der dritte amerikanische Tour-Sieger, Greg LeMond, nahm die Nachricht von der positiven B-Probe mit Bestürzung auf. „Das ist unglaublich enttäuschend“, sagte er, „ich hoffe, Floyd entschließt sich, reinen Tisch zu machen und so dem Sport zu helfen. Er ist ein Opfer, das sich seiner Verantwortung stellen muss. Er muss sagen, wer es getan hat und wie sie es getan haben.“

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