zum Hauptinhalt

Sport: Der verbissene Optimist

Oliver Kahn glaubt noch immer an die deutsche Mannschaft – und wirkt dabei selbst nicht gerade sicher

Oliver Kahn ist Motivation, Oliver Kahn ist ein Spruch, der in die Geschichte eingegangen ist. „Immer weiter“ – das ist Oliver Kahn. Oder war das mal? Vor dem entscheidenden Spiel gegen Tschechien am Mittwoch hat der Deutsche Fußball-Bund seinen Kapitän aufgeboten, um den internationalen Beobachtern bei der Fußball-Europameisterschaft in Portugal zu zeigen: Die Deutschen geben nicht auf, die können beißen und kratzen und kämpfen, und der Olli Kahn, der wird es vormachen. Nur leider kann der DFB nicht an alles denken, schon gar nicht daran, dass man Kahn auch fragen kann. Zum Beispiel: „Herr Kahn, haben Sie nicht Angst, dass Ihnen in diesem wichtigen Spiel wieder ein wichtiger Fehler unterläuft?“

Da sitzt er nun, der Torwart-Titan, der blonde Held vergangener Tage, der bei der WM vor zwei Jahren zum besten Spieler gewählt worden war. Und dann kommt eine kleine Frage aus der Tiefe des Raumes, und die bringt das ewige Kraftwerk zwischen den Pfosten aus dem Rhythmus, dabei ist doch sein Rhythmus so wichtig für das gesamte Team. „Es kommt darauf an, was für Sie wichtige Spiele sind“, sagt Kahn in einer ersten Abwehrreaktion. Gegen Real Madrid sei ihm im Hinspiel ein Patzer unterlaufen, „das Rückspiel aber war das wichtigere“.

Und gegen Bremen? Ja, gegen Bremen habe er erst durch seine Taten seine Mannschaft dahin gebracht, „dass es noch mal ein entscheidendes Spiel um die Meisterschaft wurde“. Selten hat man den 34-Jährigen so wenig souverän erlebt. Und das so kurz vor dem Spiel, das darüber entscheidet, ob die Deutschen heimfliegen können oder doch noch das Viertelfinale bei dieser EM erreichen. Kahn wackelt. Und das zeigt, wie wackelig das ganze Gebilde deutsche Nationalmannschaft derzeit ist.

Die Mannschaft von Rudi Völler hat zwei Gelegenheiten ausgelassen, genau dieser Situation aus dem Weg zu gehen. Gegen Holland wurde spät ein Ausgleich kassiert, gegen die Letten wurde kein Tor zu Stande gebracht. Jetzt muss Deutschland die bisher vielleicht stärkste Mannschaft des Turniers schlagen. „Das ist ein typischen Spiel um Alles oder Nichts“, sagt Kahn, „wir haben es selbst in der Hand. Wenn wir gewinnen, sind wir weiter. Das ist psychologisch ein Riesenvorteil.“ Doch seine Worte klingen dünn, nicht so überzeugend wie sonst, wie einst. Kann Kahn noch der große sportliche Rückhalt und Motivator sein, der Einpeitscher, der Antreiber, der eine ganze Mannschaft mitreißen konnte wie vor zwei Jahren?

Es besteht der Verdacht, dass er es nicht mehr kann, dass es vorbei ist mit seiner Kunst und Kraft, und dass die Spieler es um ihn herum wissen. Nur er selbst, Oliver Kahn, er weiß es noch nicht, oder will es nicht wahrhaben. Ein englischer Journalist machte sich ernsthafte Sorgen. Man müsse sich fragen, ob Kahn nach den Fehlgriffen zwischen den Pfosten und seinem Wertverlust für die Mannschaft auf dem gleichen Weg sei, wie David Seaman? Englands langjähriger Nationaltorwart mochte auch nicht erkennen, dass er nicht mehr der große Rückhalt seines Teams werden und die Mannschaft anführen konnte. Trainer Sven Göran Eriksson strich ihn kurzerhand aus seinem EM-Kader.

So weit ist es mit Kahn noch nicht. Noch ist er Rückhalt, bei der EM hat er sich bisher keine Fehler erlaubt. Aber das allein reicht nicht aus, um die Mannschaft weiterzubringen. Deshalb sagt Kahn jetzt, dass es schließlich auf die Mannschaft ankomme, wenn sie insgesamt funktioniere, dann „bleiben wir noch lange im Turnier“.

Kahn selbst verbindet mit Europameisterschaften nicht die besten Erfahrungen. 2000 ging er mit der Mannschaft mit unter. Beim letzten großen deutschen Triumph, dem EM-Titelgewinn vor acht Jahren, spielte er eine Nebenrolle hinter der Hauptfigur Andreas Köpke. Über ein Scheitern am Mittwoch mochte er sich trotzdem keine Gedanken machen. „Ich glaube an unsere Mannschaft, basta.“

Aber es ist noch nicht Schluss, noch einmal greift Kahn an, verbal, und versucht mit markigen Worten, stark und stabil zu wirken. Tschechiens Trainer, sagt Kahn, nehme er nicht ab, dass der nur mit der B-Mannschaft auflaufen wolle. Das sei doch nur ein Bluff, weil „jeder, der gegen Deutschland spielt, zeigen will, wie gut er ist“. Das glaubt Kahn.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false