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Frederik Tiffels war der Held gegen Lettland - und hatte nach seinem siegbringenden Penalty natürlich beste Laune.

© dpa

Deutsche Eishockey-Nationalmannschaft: Mit Kampf und Köln - und jetzt gegen Kanada

Die deutschen Eishockeyspieler haben sich ins Viertelfinale gearbeitet und die Weltmeisterschaft im eigenen Land damit wohl schon gerettet.

Als alles vorbei war, setzte der Kölner Leon Draisaitl sein typisches Grinsen auf. Den Frederik Tiffels, den habe er schon als „kleines Kind“ gekannt. Ja, man spielt kölsch. Bei der Weltmeisterschaft da kommt einem dieser Tage schon mal der Eindruck, die Kölner hätten das deutsche Eishockey erfunden. Schließlich sind um Kapitän Christian Ehrhoff einige Spieler der Kölner Haie (Patrick Hager, Moritz Müller, Phillip Gogulla – gegen Lettland nicht im Einsatz) im deutschen Kader. Und am Dienstag nun, entschied der gebürtige Kölner Tiffels mit seinem Penaltytor vor 19 000 Zuschauern – es waren Nichtkölner darunter – ein Eishockeyspiel für die Geschichte, denn das war das 4:3 der Deutschen gegen Lettland am Dienstagabend. 2:0 geführt, 2:2 kassiert, 2:3 zurück, dann das 3:3 und schließlich der 4:3-Siegtreffer im Penaltyschießen durch Frederik Tiffels.

Das deutsche Team hatte schon fast verloren. Doch als gar nichts mehr zu gehen schien, arbeitete Felix Schütz – ein ehemaliger Kölner – den Puck zum 3:3 ins lettische Tor. Zu einem Zeitpunkt, als die Spielzeit nicht mehr nur in Sekunden, sondern auch in Zehnteln gemessen wurde. 32,8 Sekunden trennten das deutsche Nationalteam von einem unrühmlichen Aus bei der Heim-WM – einer mit vielen Erwartungen überfrachteten Veranstaltung. Erwartungen, die von der deutschen Mannschaft am Dienstagabend in der Kölnarena erfüllt wurden. Im Viertelfinale geht es nun für die Deutschen am Donnerstag gegen Kanada. Die Mannschaft von Bundestrainer Marco Sturm hätte das einfacher machen können, spektakulärer aber sicher nicht. Eishockey kann mitreißend sein, emotional aufwühlen mit seinen simplen Parametern. Ein Gegentor kann viel zerstören, ein Tor kann viel retten. Sturm sagte nach dem Spiel: „Wer heute nicht begeistert war, bei dem weiß ich es auch nicht. Eishockey ist einfach ein geiler Sport.“

"Wer heute nicht begeistert war, bei dem weiß ich es auch nicht", sagte Bundestrainer Sturm

Marco Sturm hätte das ein wenig eleganter formulieren können, so wie er einst auf dem Eis ja auch eher ein feinmotorischer Angreifer war und kein Mann fürs Grobe. Aber als Bundestrainer muss er wohl auch ein wenig rustikaler am Start sein, denn die gewinnbringenden deutschen Tugenden sind trotz technisch starker junger Spieler wie Leon Draisaitl oder Frederik Tiffels die alten. Sturm sagte: „Die Jungs haben es sich wirklich verdient durch harte Arbeit, durch Ehrgeiz, durch Wille, durch Stolz.“

Tatsächlich hatten die Deutschen diesmal zunächst versucht, die Angelegenheit mit Intelligenz und Spielwitz zu lösen. Zuerst einmal ließ Sturm ganz andere Reihen auflaufen als vor dem Spiel angekündigt. Die Letten hatten beim Training spioniert und waren im Spiel ein Drittel lang erst einmal irritiert, ob der geänderten deutschen Formationen. Es dauerte bis in den zweiten Abschnitt hinein, dann hatten sich die Balten darauf eingestellt, da führten die spielerisch klar besseren Deutschen schon 2:0. Doch dann fehlte der Mannschaft von Sturm wieder diese Chuzpe, so ein Spiel auch richtig durchzuziehen und natürlich eine gute Abwehr. Das ist ein Dilemma, was in der Vorrunde bei der WM nun drei Mal zu beobachten war – gegen die Slowakei, Dänemark und nun gegen Lettland. Die Deutschen haben in diesen Spielen ihre Linie verloren und sich dann wieder auf ihre Urtugend zurückgezogen. Kampf, Wille, Brechstange.

Gegen Kanada ist Deutschland Außenseiter - so wie jedes andere Team auch

Doch die Brechstange kostet auch Kraft. Fast in Vergessenheit geriet am Dienstag, dass die deutsche Mannschaft das Turnier elf Tage zuvor beim 2:1 gegen die USA nicht mit Leon Draisaitl und dem starken Torwart Philipp Grubauer, sondern mit anderen Helden und Leistungsträgern begonnen hat: Angreifer Tobias Rieder und Torwart Thomas Greiss, beide sind inzwischen verletzt. Spiele mit der Brechstange kosten eben auch Kraft. Aber das dann so spektakulär umzusetzen wie am Dienstag ist auch eine Stärke: So wie sich das deutsche Team am Dienstag in der Kölnarena inszeniert hat, hat das bei dieser WM noch keine andere Mannschaft geschafft.

Das Spiel gegen Lettland wird in Erinnerung bleiben, egal was jetzt kommt: Natürlich sind die Deutschen am Donnerstag gegen Kanada (20.15 Uhr, live auf Sport1) Außenseiter – so wie es jedes Team im aktuellen Turnier gegen den Weltmeister wäre. Zwischen einem 1:7 und einem 2:1 für Deutschland ist aber alles möglich: Wenn die Kanadier in die teutonische Stimmungsfalle tappen – die Zuschauer in der Kölnarena sind bei der WM eine Eishockeyklasse für sich – und bei den Deutschen eben alle mitkämpfen, dann ist an einem guten Tag alles möglich. Ansonsten bleibt das Lettland-Spiel als Trostpreis.

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