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Starkes Comeback. Paul Biedermann gewann bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin gleich drei Titel.

© dpa

Deutsche Meisterschaft im Schwimmen: Paul Biedermann: Der Alte kann es noch

Paul Biedermann überzeugt bei seinem Comeback in Berlin und gewinnt drei deutsche Meistertitel.

Die tiefen Ringe rund um Paul Biedermanns Augen stammten von seiner Schwimmbrille, sie hätten aber genauso gut von der Belastung der vergangenen Tage herrühren können. Der 27-Jährige atmete schwer, als er am Sonntagabend nach dem Sieg über 200 Meter Freistil – seinem dritten Titel bei diesen 126. deutschen Meisterschaften – aus dem Becken kletterte. „Ich habe gemerkt, dass mir viele harte Rennen in den Knochen stecken“, schnaufte Biedermann. „Ich habe ganz schön Körner gelassen, es tut ganz schön weh.“ Die vergangene Saison inklusive der WM hatte Biedermann wegen eines verschleppten Infekts nahezu komplett verpasst, sein letzter wichtiger Wettkampf waren die Olympischen Spiele 2012 in London. Umso beeindruckender war es, mit welcher Selbstverständlichkeit Biedermann die nationale Konkurrenz bei seiner Rückkehr dominierte.

Dass der Hallenser über 200 und 400 Meter Freistil nicht zu schlagen war, kam dabei nicht allzu überraschend. Für weitaus mehr Aufsehen in der Schwimm- und Sprunghalle an der Landsberger Allee sorgte, dass Biedermann auch über 100 Meter Freistil antrat, am Samstagabend über die kürzere Kraulstrecke ebenfalls den Titel holte und dabei in 48,31 Sekunden eine europäische Jahresbestleistung aufstellte. Biedermann hatte den Start über 100 Meter als bessere Trainingsmaßnahme angekündigt, um seine Anfangsgeschwindigkeit über 200 Meter Freistil zu verbessern. Auf seiner Paradestrecke hält er zwar noch den Weltrekord, international hat sich die Taktik aber verändert, besonders der französische Olympiasieger Yannick Agnel schwimmt die ersten zwei Bahnen deutlich schneller als Biedermann. „Wir wollen den Abstand gegenüber Agnel verringern“, hatte Trainer Frank Embacher als Ziel für das 100-Meter-Experiment ausgegeben, Biedermann sagte: „Ich muss mich der Weltspitze anpassen – und nicht umgekehrt.“

Das gelang ihm mehr als gut, durch seinen starken Auftritt ist er plötzlich auch Kandidat für die 4 x 100 Meter Freistilstaffel bei der EM. Allerdings wird die Staffel am selben Tag geschwommen wie die 400 Meter, Chef-Bundestrainer Henning Lambertz will gemeinsam mit Embacher und Biedermann entscheiden, auf welchen Strecken Deutschlands prominentester Schwimmer im August im Velodrom antritt.

Angesichts seiner Erschöpfung nach der viertägigen deutschen Meisterschaft – „das hat mir gezeigt, dass ich nicht alle Strecken schwimmen kann“ – wird sich Biedermann genau überlegen, welches Programm er sich zumutet. Der Doppelweltmeister von 2009 schien ehrlich überrascht von seinem überzeugenden Comeback. „Ich habe stark gezweifelt, ich hatte viel Zeit zum Nachdenken“, sagte Biedermann. „Ich hatte keine Erwartungen, deswegen habe ich auch keine Erwartungen übertroffen. Ich wolle einfach sehen, was geht.“ Lambertz darf sich freuen, dass er in Biedermann einen echten Medaillenkandidaten zur EM schicken kann. Auch sonst zeigte sich der Bundestrainer weitgehend zufrieden, 30 Athleten unterboten die von ihm festgelegte erste EM-Norm. „Wir haben viele gute Leistungen gesehen“, sagte Lambertz, „aber leider nur von den Etablierten. Ich hätte mir auch ein paar junge, frische Gesichter gewünscht.“

Besonders bei den Frauen wird der von Lambertz gewünschte Generationenwechsel noch Zeit brauchen, angesichts der fehlenden Leistungsdichte dachte der Chef-Bundestrainer sogar laut darüber nach, bei der EM keine Frauen-Staffeln an den Start zu schicken. Bei den Männern hat Lambertz mehr Auswahl – vor allem dank Paul Biedermann. Lars Spannagel

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