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Zurückgemeldet. Annike Krahn, Inka Grings und Lena Goeßling (v. l.) feiern ihre starke Leistung gegen Frankreich.

© dapd

Deutsche Taktik geht auf: Silvia Neid rotiert zum Sieg

Mit ihren Wechseln vor und während des Spiels gegen Frankreich macht Bundestrainerin Silvia Neid alles richtig. Für Birgit Prinz bleibt damit wohl auch im Viertelfinale gegen Japan nur ein Platz auf der Bank.

Als Silvia Neid im Spiel gegen Frankreich Stürmerin Alexandra Popp für Innenverteidigerin Annike Krahn aufs Feld schickte, wunderte sich so mancher Zuschauer im Mönchengladbacher Stadion. Schließlich führte Deutschland im Spiel gegen Frankreich zwölf Minuten vor Schluss 3:2. Hatte die Bundestrainerin bei ihren vielen Rochaden den Überblick verloren? Mitnichten. Neid wollte ihre Abwehrchefin Krahn lediglich vor einer Gelben Karte bewahren, die für die 26-Jährige eine Sperre im Viertelfinale gegen Japan bedeutet hätte. Lena Goeßling ersetzte Krahn in der Abwehr, Kerstin Garefrekes rückte ins defensive Mittelfeld, Popp besetzte die rechte Seite. Kurz vor Spielende fiel noch das 4:2 (2:0) für die deutschen Fußballerinnen, Platz eins in der Gruppe A war gesichert. Silvia Neids Maßnahmen hatten gegriffen, sich selbst loben wollte die 47-Jährige aber trotzdem nicht. „Ich habe gar nichts richtig gemacht“, sagte sie. „Ich habe ja nicht gespielt.“

Ganz so bescheiden hätte Silvia Neid gar nicht sein müssen. Nach zwei rumpeligen Auftritten bei dieser WM hatte sie gegen Frankreich mehrmals Fingerspitzengefühl bewiesen, als sie ihre Mannschaft vor und während des Spiels umstellte. Wichtigster Schachzug war dabei die Hereinnahme von Inka Grings im Angriff für Birgit Prinz, den die Mittelstürmerin der Bundestrainerin mit zwei Toren dankte. „Mein Ziel war es, schnell die Bindung zur Mannschaft zur finden“, sagte Grings. „Das ist mir recht gut gelungen, glaube ich.“ Die 32-Jährige wühlte sich von Beginn an ins Spiel, ging jedem Ball hinterher und strahlte eine enorme Torgefahr aus. Es war ihr deutlich anzumerken, wie sehr sie die Degradierung zur Bankspielerin gewurmt hatte – und welche Genugtuung ihr nun die triumphale Rückkehr bereitete. „Die letzte Woche war sicherlich nicht einfach für mich. Ich habe lange gebraucht, das zu verarbeiten“, sagte Grings. „Ich freue mich sehr über die Tore. Viel wichtiger ist aber, dass wir uns als Mannschaft gefangen und gefunden haben.“

Bei aller Freude konnte Neid allerdings nicht das unbehagliche deutsche Dauerthema dieser WM ausblenden. Die Tage vor dem Spiel waren von der Diskussion um die formschwache Birgit Prinz geprägt gewesen, Neid hatte die Rekordnationalspielerin nun 90 Minuten auf der Bank gelassen. An der Seitenlinie hatte die Bundestrainerin auf die Wendungen des Spiels noch äußerst geschickt reagiert, die Fragen nach ihrer Kapitänin parierte sie weitaus weniger gewandt. Sie habe viele Gespräche mit Birgit Prinz geführt, erklärte Neid, seit Sonnabend bereits wisse die 33-Jährige Bescheid, dass sie gegen Frankreich nicht auflaufen werde. „Wir haben darüber gesprochen, wie sie sich sieht im Moment. Ob sie überhaupt mental in der Lage wäre, zu spielen“, berichtete Silvia Neid. „Und da sagt sie: Nein, nicht von Anfang an.“ Solche Einblicke in die Seelenlage einer Sportlerin geben Trainer nur höchst selten. Man mag diese Aussagen ehrlich und ehrenhaft finden, zur Beruhigung der Debatte und mehr Selbstvertrauen bei Prinz dürften sie aber kaum beitragen. Birgit Prinz selbst ging allen Fragestellern am Dienstagabend aus dem Weg, das Reden übernahmen andere für sie. „Dass sie selber entschieden hat nicht zu spielen, zeigt doch nur wieder ihre Größe“, sagte Torhüterin Nadine Angerer. „Die Mannschaft steht wirklich geschlossen hinter Birgit.“

Ob Prinz gegen Japan wieder in die Startelf rückt, ist noch unklar. Neid dürfte aber ein Grund fehlen, Grings nach deren starker Leistung wieder auf die Bank zu setzen. Linda Bresonik wird wohl nach überstandenem Magen-Darm-Virus auf die rechte Abwehrseite zurückkehren, Melanie Behringer hingegen könnte es schwer haben, Fatmire Bajramaj wieder zu verdrängen. Die Defensivachse aus Annike Krahn, Simone Laudehr und Kim Kulig war ohnehin nur ausgewechselt oder geschont worden, um sie vor einer Gelbsperre zu bewahren.

„Ich bin sehr froh, dass wir mit allen 21 Spielerinnen ins Viertelfinale starten können“, sagte Silvia Neid. Die Einsicht, dass sie sich auch auf ihre zweite Reihe verlassen kann, wird der Bundestrainerin mindestens genauso viel Freude gemacht haben. „Alle sind austauschbar, alle sind in guter Verfassung“, sagte Nadine Angerer, die auch Birgit Prinz für die WM noch lange nicht abgeschrieben hat: „Birgit wird in diesem Turnier noch wichtig werden – auf dem Feld, aber auch abseits davon.“ Wirkliche Argumente, die dreimalige Weltfußballerin des Jahres wieder ins Team zu nehmen, hat das Spiel gegen Frankreich aber nicht geliefert. Und die Bundestrainerin mit ihrer gut gemeinten Bloßstellung genauso wenig.

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