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Die Fußballplätze in Tansania sind oft in schlechtem Zustand.

© Munoz/Promo

Deutscher Fußball-Trainer in Tansania: "Kurze Pässe? Auf den Äckern hier viel zu riskant"

Tim Jost ist einer der wenigen deutschen Trainer in Afrika. Der 23-Jährige über Erstliga-Fußball in Tansania, tagelange Busfahrten und Voodoo in der Kabine.

Herr Jost, Sie sind 23 Jahre alt und haben vor Kurzem ihren Bachelor an der Sporthochschule in Köln gemacht. Wie landet man da als Trainer in der Ersten Liga Tansanias?

Nach dem Bachelor wollte ich etwas im Ausland machen, am liebsten mit Sportbezug. Über die Entwicklungshilfeorganisation Sports Charity bin ich auf Tansania aufmerksam geworden. Der Gründer der Organisation hat dann den Kontakt zum Verein Toto Africans hergestellt.

Mussten Sie lange überlegen, als man Ihnen den Posten als Trainer angeboten hat?

Erst sollte ich ja nur Assistenztrainer werden und da habe ich schon gedacht: Erste Liga, das ist krass. Ich habe zwar eine Lizenz, habe aber noch nie als Trainer gearbeitet, nur selbst gespielt. Deshalb wollte ich mir viele Sachen abgucken. Dann hat der Cheftrainer jedoch aufgehört.

Da waren Sie immer noch ziemlich neu und wahrscheinlich jünger als viele Ihrer Spieler. Gibt es keine Autoritätsprobleme?

Die Spieler haben mich super aufgenommen. Wobei wir am Anfang noch gar keine richtige Mannschaft hatten. Die Spieler der letzten Saison haben den Verein fast alle verlassen und wir mussten uns das neue Team erst zusammensuchen.

Tim Jost, 23, ist einer der ganz wenigen deutschen Fußalltrainer in Afrika. Seine Mannschaft, die Toto Africans aus Mwanza, spielt in der Ersten Liga Tansanias gegen den Abstieg.

© Munoz/Promo

Wie muss man sich das vorstellen?

Im Radio und im Fernsehen, aber auch über Lastwagen, die mit Megaphonen herumfahren, wird zu einem Probetraining aufgerufen. Da kommen dann hunderte Spieler, teilweise extra angereist von weit her. Manche haben nicht einmal Schuhe, andere überschätzen sich vollkommen. Und wenn man jemanden wegschickt, ist er manchmal am nächsten Tag wieder da.

Warum?

Weil irgendjemand aus der Vereinsführung ihn zurückholt. Das ist eines der größten Probleme: Im afrikanischen Fußball haben die Fans und die Vereinsvorsitzenden viel mehr Macht und mischen sich oft ein. Wenn ich vom hier üblichen Training – morgens laufen, abends spielen – abweiche und Taktikübungen mache, kommt gleich der Präsident zu mir. Es ist schon gewöhnungsbedürftig, wenn der Co-Trainer in der Halbzeitpause einen Anruf bekommt mit der Anweisung, einen Spieler ein- oder auszuwechseln.

Wie kommen Sie klar mit so viel Einflussnahme von außen?

Ich habe den Leuten im Verein klar gemacht, dass manche Sachen nicht gehen. Für mich ist das einfach, weil ich relativ unabhängig bin. Ich bekomme kein Gehalt, lebe im Haus der Sports Charity und kann zurück nach Deutschland, wenn es nicht klappt. Die Existenz meiner Assistenten und ihrer Familien hängen aber an den paar Hundert Euro, die sie hier verdienen.

Im Afrika-Cup steht am Sonntag das Finale an, Tansania war wieder einmal nicht qualifiziert. Ist trotzdem eine besondere Atmosphäre im Land zu spüren?

Die Begeisterung ist enorm. Tansania hat sich zwar nur einmal für die Endrunde qualifiziert, im Jahr 1980. Hier hat aber trotzdem jeder seine Lieblingsmannschaft und fiebert leidenschaftlich mit.

Was sind für Sie in der alltäglichen Arbeit die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Tansania?

Man braucht viel Geduld und muss oft improvisieren. Einen Trainingsplan kann man vorher eigentlich gar nicht entwerfen, weil wir oft bis zuletzt nicht wissen, wo wir trainieren. Wir gehören zu den ärmsten Vereinen der Liga. Selbst für tansanische Verhältnisse sind wir nicht gut organisiert – und das will schon was heißen.

Erzählen Sie, bitte.

Zu Auswärtsspielen müssen wir oft mehr als 1000 Kilometer reisen. Ein Flug ist zu teuer, also fahren wir 30 Stunden Bus. Die Pünktlichkeit im Team haben wir verbessert, wenn der Busfahrer aber zwei Stunden zu spät kommt, können wir nicht viel machen. Zu einem Testspiel kamen wir so spät an, dass es schon zu dunkel war.

Wie ist das sportliche Niveau der Liga?

Das ist sehr unterschiedlich. Die Topteams Simba und Young Africans aus der größten Stadt Daressalam haben schon Zweit- oder Drittliganiveau. Das ist aber sehr schwer einzuschätzen, weil hier ein ganz anderer Fußball gespielt wird. Die meisten Mannschaften spielen viel mit langen Bällen. Ich wollte am Anfang auf kurze Pässe umstellen, das ist aber viel zu riskant. Bis auf das Nationalstadion sind die meisten Plätze richtige Äcker, auf denen in Deutschland nicht einmal Kreisklasse-Mannschaften spielen würden. Oft fehlen einfach das Wasser und die Materialien, um den Rasen zu pflegen.

Viele Tansanier sind sehr fußballverrückt.

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Gibt es etwas, an dass sie sich partout nicht gewöhnen können?

Viele Tansanier glauben an eine Art Voodoo. Fast jeder Verein hat einen Witchdoctor, der soll den eigenen Spielern Glück und Kraft geben oder die Gegner schwächen. Einmal sind wir auswärts in die Kabine gekommen und es hat so übel gestunken, dass wir uns draußen umziehen mussten. Da hatte der Witchdoctor übelriechende Kräuter oder Wurzeln versteckt. Auch Tieropfer sind nicht selten.

Wie lange wollen Sie in Tansania bleiben?

Ich bleibe auf jeden Fall bis zum Ende der Saison, also bis Mai. Dann komme ich zurück und mache meinen Master. Wenn mir hier aber ein großer Verein eine Trainerstelle mit einer richtigen Bezahlung bieten würde, könnte ich es mir noch einmal überlegen. Das Land und die Leute sind mir sehr ans Herz gewachsen.

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