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Der Quälgeist. Kohlschreiber (l.) mit dem neuen Teamchef Kohlmann. Foto: dpa/Dedert

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Deutscher Tennisbund: Frankreich und andere Gegner

Die andauernden Machtkämpfe im deutschen Tennis überlagern das Davis-Cup-Match am Wochenende. Der neue Team-Kapitän Michael Kohlamm muss einiges stemmen.

Der Deutsche Tennisbund (DTB) ist klamm. Wie klamm, das ist in der Frankfurter Arena im Stadtteil Höchst nicht zu übersehen. Offenbar hat das Budget des DTB für diese Erstrundenpartie im Davis-Cup gegen Frankreich nicht einmal mehr ausgereicht, um das offizielle Plakat mit einem aktuellen Foto bedrucken zu lassen. So prangt stattdessen auf den unzähligen Postern nun jene deutsche B-Mannschaft, die im letzten April in Nancy beim Viertelfinale antrat – mitsamt Teamchef Carsten Arriens, der vor vier Wochen gefeuert wurde. Der DTB gibt kein glückliches Bild ab, wie so oft.

Dabei schwärmte der Verband vor der Partie noch von „Aufbruchstimmung“ und einem Neuanfang. Doch die nicht geräuschlose Trennung von Arriens steht noch im Raum und bringt Vize-Präsident Dirk Hordorff an diesem Wochenende in die Bredouille. Zudem ist in Philipp Kohlschreiber der Quälgeist wieder zurück im Team. Schwere Altlasten, die der neue Kapitän Michael Kohlmann bei seinem Debüt zu stemmen hat. Als sei der Vorjahresfinalist als Gegner nicht Herausforderung genug.

Michael Kohlmann ist ein kompetenter und beliebter Mann

Der einstige Co-Trainer von Arriens ist ein kompetenter und beliebter Mann, dennoch stellte der DTB Kohlmann eine Art Taskforce an die Seite. Eine ganze Armada von Experten mit dem Sportdirektor Klaus Eberhard als Teammanager, Fitness- und Mentalcoach Carlo Thränhardt, Co-Trainer Dirk Dier, Physiotherapeut Klaus Eder – und als Berater Niki Pilic. Der 75-jährige Kroate war in der Öffentlichkeit als eigentlicher Chef wahrgenommen worden, tritt Pilic doch mit der Reputation diverser Davis-Cup-Siege an. Pilic betonte aber: „Michael trifft die Entscheidungen.“ Bisher hielt sich der Altmeister in der Trainingswoche sichtlich zurück, beobachtete wachsam am Rande, gab sporadisch Hinweise.

Dennoch stellte Pilic mit der ihm eigenen Vehemenz klar, dass es mit ihm keine derartigen Sperenzchen wie vor einem Jahr geben werde. Arriens hatte damals keinen Spieler dazu bewegen können, das bedeutungslose dritte Einzel gegen Spanien noch zu spielen. Dass Arriens Philipp Kohlschreiber, Thomas Haas und Florian Mayer sogar losen ließ, erwies sich als fatal. Als sich Kohlschreiber dennoch weigerte, war Arriens blamiert und seine Autorität los. Es war der Anfang vom Ende eines Machtkampfes, den der Teamchef verlor. Wie schon sein Vorgänger Patrik Kühnen.

Geschlossenheit und Teamgeist sind Fremdworte im deutschen Männertennis

Kohlschreiber ist sich keiner Schuld bewusst. Das neue Präsidium unter Ulrich Klaus hatte schließlich gefordert, dass „die besten Spieler im Davis-Cup spielen müssen“. Also wurde der von Arriens Verstoßene wieder aufgenommen. „Ich habe nichts mit den Abgängen der Teamchefs zu tun, auch wenn man mir da etwas andichten möchte“, wehrte sich Kohlschreiber. Doch ganz unschuldig ist der 31 Jahre alte Augsburger nicht, seit Jahren hatte es auch seinetwegen immer wieder Unfrieden im Team gegeben.

Foto: dpa/Schmidt
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„Wir müssen eine Geschlossenheit und einen Teamgeist entwickeln“, forderte Pilic. Bisher waren das Fremdworte im deutschen Männertennis. Doch unter Kohlmann herrscht wieder bessere Stimmung, und den Kollegen Benjamin Becker, Jan-Lennard Struff und Andre Begemann ist ohnehin jegliches Konfliktpotenzial fremd. So ist Kohlschreiber wieder obenauf, mit Rückendeckung des Verbandes. Sehr zum Unmut des geschassten Arriens: „Die Botschaft ist: Uns ist es egal, wie sich die Spieler verhalten – wenn sie gut genug sind, spielen sie. Aber der Zweck rechtfertigt eben nicht die Mittel und Methoden.“

Es geht um viel dieses Wochenende - am wenigsten aber um den Sieg

So wie Arriens sehen es auch einige Länderfürsten beim DTB, der Ärger schwelt innerhalb des Verbandes weiter. „Die Art, wie die Trennung von Arriens vollzogen wurde, schreit zum Himmel“, monierte Ulrich Lange, Präsident des Württembergischen Tennis Bundes, und stellte für die außerordentliche Mitgliederversammlung am Samstag in Frankfurt einen Antrag zur Abwahl Hordorffs, der als Zuständiger für den Leistungssport bei der Entlassung federführend war. „Ich sehe dem entspannt entgegen“, konterte Hordorff, „aber ich werde die Namen derer nennen, die den Antrag unterstützen.“

Hordorff kennt sich aus in Machtspielchen und persönlichen Grabenkämpfen. Und so rückt das Sportliche in den Hintergrund. Die Arena ist beinahe ausverkauft, die Fans sind offenbar bereit, zu vergeben und zu vergessen. Doch auch die leisesten Misstöne würden wohl ein erneutes Pfeifkonzert provozieren. Es geht um viel an diesem Wochenende. Am wenigsten um einen Sieg gegen Frankreich.

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