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Keine gerade Linie. Die Kroaten schimpften nach dem Spiel gegen Spanien auf Schiedsrichter Wolfgang Stark aus Ergolding.

© dapd

Deutschland gegen Griechenland: Ästhetik gegen Antike

Joachim Löw stimmt seine Mannschaft auf das Duell mit Griechenland ein – den Ahn allen Mauerfußballs. Dabei setzt der Bundestrainer auf eine Explosion seines kreativen Häuptlings Mesut Özil.

Joachim Löw hat gestern ein merkwürdiges Bündnis geschlossen. Ein Bündnis mit dem größten sportlichen Rivalen. Also mit den Spaniern, die seine Elf in den beiden vergangenen Turnieren jeweils final geschlagen hatten. Es ist ein Bündnis des Leidens.

Man habe ja gesehen, dass die Kroaten, die am Montagabend von Spanien nur mühevoll und denkbar knapp bezwungen wurden, sich massiv in die eigene Hälfte zurückgezogen hätten und nur darauf bedacht gewesen wären, das Spiel des Welt- und Europameisters schnöde zu zerstören. „Uns ging es mit Holland und Portugal ja nicht anders“, sagte der Bundestrainer, er wollte das als Trost und Warnung verstanden wissen.

„Es ist nicht einfach, wenn der Gegner nicht mitspielt. Wir müssen uns daran gewöhnen und nicht meckern“, hatte Sami Khedira noch nach dem 2:1-Sieg gegen defensiv orientierte Dänen gesagt. Diese spielten mit einer stoischen Ruhe, „das Ergebnis scheint ihnen eigentlich völlig egal zu sein, weil sie eigentlich fast nichts tun bis auf verteidigen“, hatte Löw gesagt und damit den Spielstil der Dänen charakterisiert. Aber was ist dieser schon gegen das, was die Deutschen im Viertelfinale gegen Griechenland erwartet? Im Grunde ist Griechenland der Ahn allen Mauerfußballs. Oder anders gesagt: Wenn den Deutschen noch immer Spanien als Vorbild für offensiven, für ästhetischen und modernen Fußball gilt, so begegnen sie am Freitag der Fußballantike.

Griechenland hat bei der EM nicht nur die älteste Mannschaft am Start, sondern verkörpert einen Spielstil, der längst als überwunden galt. Das allerdings heißt nicht, dass dieser Stil nicht auch erfolgreich sein kann. Bei der EM 2004, als der altmodische Mauerfußball griechischer Prägung triumphierte, wurde auf dem Weg dahin so manche kultiviert und modern aufspielende Mannschaft böse überrascht. „Ich glaube, Griechenland ist die Mannschaft, die bisher im Turnier drei Chancen hatte und drei Tore gemacht hat. Das ist ja auch irgendwo verrückt“, hatte Löw vor wenigen Tagen gesagt. Gestern drückte sich der Bundestrainer etwas dezenter aus. „Sie sind Meister der Effizienz. Man beißt bei ihnen auf Granit. Es ist für uns eine gute Herausforderung, das zu lösen.“

Vor allen Dingen in der Offensive wird sich die deutsche Mannschaft etwas einfallen lassen müssen. In der Analyse der ersten drei Vorrundenspiele sind Löw ein paar Dinge aufgefallen, die er zwingend als verbesserungswürdig einstuft. So müssten die Laufwege seiner Spieler ohne Ball „fordernder und zwingender“ werden, wie er sagte. Nach seinem Verständnis entscheidet eben nicht der kluge Pass in die Tiefe oder Schnittstelle der gegnerischen Abwehr den Laufweg der angreifenden Spieler, sondern umgekehrt: Der Laufweg entscheidet über den zu spielenden Pass. Nur so ließe sich ein entscheidender „Bewegungsvorsprung“ erarbeiten, wie Löw es nannte.

Das Spiel der Griechen selbst ist erwartbar. Sie seien gut und klar strukturiert. „Sie werden mit acht bis neun Mann sehr weit hinten spielen und auf Konter und Standards lauern“, sagte Mats Hummels. Der neue deutsche Star der Innenverteidigung hat sich das Spiel der Griechen im EM-Eröffnungsspiel gegen Polen angesehen, eines der schwächsten des gesamten Turniers. „Da dachte man nicht, dass sie noch mal zurückkommen können. Sind sie aber.“ Durch einen Mauersieg über Russland, das von den deutschen Spielern sehr viel höher eingeschätzt worden war.

Joachim Löw wird die Einheiten am Mittwoch und Donnerstag noch einmal dazu benutzen, kleinere Defizite aufzuarbeiten. So beispielsweise das Pressing-Verhalten. Joachim Löw will, dass seine Spieler auf den jeweils ballführenden Spieler des Gegners noch mehr Druck ausüben, damit dieser erst gar nicht Raum und Zeit bekommt, um gute Pässe zu spielen. Entgegenkommen dürfte seiner Elf, dass den Griechen ihr Kapitän Georgios Karagounis nach zwei Gelben Karten fehlen wird. „Er ist der Ideengeber, er spielt entscheidende Pässe und ist das Bindeglied zwischen den Mannschaftsteilen. Für die Griechen ist das ein schmerzhafter Ausfall“, sagte Löw.

Besonderes Augenmerk gilt aber dem Kreieren eigener Torchancen, was für gewöhnlich gegen eine sich verbarrikadierende und sehr tief stehende Mannschaft wie die der Griechen nicht ganz so leicht fallen dürfte. Gefragt sei hier speziell Mesut Özil. Der Leiter der Abteilung Kreativität des deutschen Teams konnte bisher noch nicht glänzen. Löw kennt die Gründe. Özil würden die Anspielmöglichkeiten in der Offensive fehlen. Doch der Bundestrainer geht für den Beginn der K.-o.-Runde von einer „Explosion Özils“ aus, wie er gestern sagte. „Ich spüre das.“

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