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Der Bulle von Nantes. Alberto Entrerrios verdient inzwischen in Frankreich sein Geld, bei der WM verbreitet er aber in Spaniens Trikot Angst und Schrecken.

© dpa

Deutschland im Viertelfinale der Handball-WM: Gegen Spanien und andere Mächte

Im Viertelfinale der Weltmeisterschaft kämpfen die deutschen Handballer gegen ein starkes spanisches Team, das Publikum und mächtige Verbandsfunktionäre.

Es kann laut werden, wenn die spanische Nationalmannschaft bei der Handball-WM spielt. Richtig laut. Dominik Klein und die anderen deutschen Handballer konnten sich davon am Montagabend selbst überzeugen, als sie mit mehr als 11 000 anderen Menschen im Pabellon Principe Felipe von Saragossa saßen. Von einer tosenden, „heißblütigen Atmosphäre“, berichtete Klein, in der der Gastgeber Spanien den Vize-Europameister Serbien mit 31:20 niederkanterte. Ähnlich heißblütig wird es am Mittwochabend in Saragossa zugehen. Trotzdem demonstrieren die Deutschen Gelassenheit vor dem Viertelfinale der WM gegen Spanien (19 Uhr, live in der ARD). Die Kulisse sei „eine schöne Motivation für uns, in der Halle zu bestehen“, freute sich Klein, bevor das Team durch die Altstadt von Saragossa bummelte.

„Wenn man im Tunnel drin ist, nimmt man das nicht so wahr, und deswegen habe ich davor keine Angst“, sagte Oliver Roggisch. Der Abwehrchef sieht sein Team gewappnet durch die Erfahrungen, die es im letzten Jahr bei der EM in Serbien sammelte, als es sich in einer feindseligen Stimmung gegen Mazedonien durchsetzte. „Wir müssen kühlen Kopf bewahren, wir dürfen uns nicht vom Publikum beeindrucken lassen und unser Ding durchziehen.“ Dennoch: Spanien ist die schwerste Aufgabe für die neuformierte und unerfahrene deutsche Auswahl.

Die spanischen Nationalspieler rekrutieren sich vorwiegend aus den Spitzenklubs FC Barcelona und Atletico Madrid, die sich seit Jahren einen Kampf mit den deutschen Klubs um die Spitzenposition in Europa liefern. Zwölfmal siegten Klubs der spanischen Liga Asobal in der Champions League, die 1994 eingeführt wurde, nur vier Mal Vereine aus der Bundesliga. Aktuell aber ist die finanzielle Lage im spanischen Klubhandball dramatisch, abgesehen vom FC Barcelona, der allerdings am Tropf des Fußballs hängt. Auch Nationalspieler wie Spielmacher Chema Rodriguez oder Alberto Entrerrios wechselten daher ins Ausland.

Deutsche Mannschaften sind selten gut mit dem extrem körperbetonten Handballspiel zurechtgekommen, das in Spanien favorisiert wird. Speziell in der Deckung versammeln sich Ungetüme wie Jorge Maqueda, Viran Morros und Joan Canellas, die fast alle eine Körpergröße von zwei Metern aufweisen. Aber auch in der Offensive, bei der bevorzugten Spielvariante Zwei gegen Zwei, kommt den Spaniern ihre überlegene Physis zugute.

Ein WM-Halbfinale ohne Gastgeber ist bei den Funktionären unerwünscht

Dennoch gehen die Deutschen nicht geduckt in diese Partie. Speziell die Erfahrungen aus dem Sieg gegen Frankreich, dieser Triumph der Hochgeschwindigkeit gegen überlegene Körper, scheinen wie ein Zaubertrank zu wirken. „Die Franzosen waren auch schöne Kanten, das haben wir auch gelöst“, sagte Stefan Kneer. „Da gibt es keinen Grund, sich verrückt zu machen. Wir wissen, was wir können.“ Es sei sehr kompliziert, gegen eine solch aggressive Deckung und den Weltklassetorwart Arpad Sterbik zu bestehen, sagt Martin Heuberger. Aber auch der Bundestrainer glaubt an die positiven Effekte aus dem Frankreich-Spiel: „Wir hatten in der Vorrunde schon ähnliche Abwehrsysteme zu spielen und haben gute Lösungen gefunden.“

Eine herausragende Taktik und Selbstbewusstsein allein aber dürfte nicht reichen. Gefragt sind auch gute Nerven. Denn der Gastgeber einer WM profitiert für gewöhnlich enorm vom Heimvorteil, wie die jüngere Geschichte dieses Turniers zeigt. Als Deutschland 2007 in Köln im Viertelfinale gegen Spanien (27:25) den Grundstein für den dritten WM-Titel legte, fühlten sich die Iberer durch die Schiedsrichter um den Sieg betrogen. Seit 1999 hat (von 2003 abgesehen) jeder Gastgeber stets das Halbfinale erreicht. Die Rolle als Gastgeber, sagt der spanische Coach Valero Rivera, sei „schon ein entscheidendes Plus“. Die DHB-Auswahl muss jedenfalls damit rechnen, ein paar Bälle durch seltsame Pfiffe zu verlieren. Dann die Ruhe zu bewahren, ist schwer. Ein Star wie der Serbe Momir Ilic war am Montag dazu nicht in der Lage.

Die Funktionäre geben sich keine Mühe zu verbergen, dass ein WM-Halbfinale ohne Gastgeber unerwünscht ist. „Spanische Erfolge sind wichtig für die WM, für die Zuschauer und den Handball insgesamt“, erklärte Hassan Moustafa, der Präsident der Internationalen Handball-Föderation (IHF), vor dem Turnier. Hinzu kommt, dass die Zuschauerzahlen bei dieser WM bisher nicht den Erwartungen entsprechen; oft blieben viele Plätze leer, selbst beim Klassiker Deutschland gegen Frankreich in Barcelona. Die Organisatoren der WM, die schon bei der Sponsorensuche erfolglos geblieben waren, sind auf eine ausverkaufte Halle bei den Finalspielen in Barcelona angewiesen. Und die garantiert nur: Spanien. Die deutschen Profis spielen in Saragossa nicht nur gegen die spanischen Handballer, sondern womöglich auch gegen andere, höhere Mächte.

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