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Sport: Deutschland ist wieder im Spiel

Nach dem 35:29 über Slowenien hat der Gastgeber der Handball-WM alle Chancen auf das Viertelfinale

Kurz drehte Heiner Brand den Kopf zur Seite und zog ein wenig die Augenbrauen hoch. Was der Bundestrainer von seinem Kollegen aus Slowenien zu hören bekam, erstaunte ihn. Kurz zuvor hatte Brand das 35:29 (17:14) seines Teams mit lobenden Worten analysiert, da setzte Kasim Kamenica zu einer Attacke gegen den Welt- Handballverband und den Verband der Gastgeber an: „Dieses Spiel war eine Schande für IHF und DHB. Wenn das kleine Slowenien, dass nur sportlich kämpfen will, von solchen Schiedsrichtern derart betrogen wird, ist das eine Schande.“ Brand schlug Kamenica vor, das Spiel zu analysieren. „Ich stelle mich dafür zur Verfügung“, sagte Brand, „mal sehen, was dabei herauskommt.“ Während Kamenica den Beleidigten gab, befasste sich der Bundestrainer mit den Tatsachen. Nicht die dänischen Schiedsrichter Olesen und Pedersen haben seinem Team vor großartiger Kulisse zum Erfolg im ersten Hauptrundenspiel bei der WM verholfen, sondern „die Mannschaft hat mit einer enormen Steigerung“ selbst dafür gesorgt. Und dafür wurde sie von den 11 000 Fans im Gerry-Weber-Stadion von Halle/Westfalen gefeiert, als hätte sie den Titel gewonnen.

Die Spieler waren begeistert. „Es ist unglaublich, was hier abgelaufen ist“, sagte Holger Glandorf. Von der ersten Spielminute an war eine vom Niveau her völlig andere deutsche Mannschaft auf dem Spielfeld. Aus der Niederlage gegen Polen hatte sie gelernt. Durch die zwei Minuspunkte, die sie in die Hauptrunde hatte mitnehmen müssen, ließ sie sich nicht erschüttern. Beim 4:3 (10. Minute) ging sie durch jenen Spieler erstmals in Führung, den der sehr passive 6:0-Deckungsriegel des Gegners nie stoppen konnte: Pascal Hens. Drei seiner insgesamt neun Tore warf der lange Hamburger in Unterzahl. „Mit welchem Schwung und welcher Einsatzbereitschaft er auftrat, das war schon stark. Aber das habe ich auch allen Spielern vorher gesagt“, sagte Brand, der nur auf besondere Anfrage hin einen Einzelnen lobte. Diesmal waren die Deutschen ein Team. Bei Slowenien überragte allein Siarhei Rutenka (12/5 Treffer).

Selbst eine ähnliche Situation, wie sie im Spiel gegen Polen die Niederlage herbeiführte, wurde diesmal gemeistert. In der 19. Minute (9:5) handelte sich der Magdeburger Oliver Roggisch, der Abwehrchef, die zweite Zwei-Minuten-Strafe ein. Er war erneut stark rot-gefährdet. Diesmal aber ließ ihn Brand auf der Bank und beorderte Routinier Christian Schwarzer auf Roggischs Position. „Das war aus der Not geboren“, gab Brand zu. Aber der 37-jährige Kreisläufer, der nach zweieinhalb Jahren Pause gegen Polen sein Comeback feierte, erwies sich auch da als Glücksgriff. Zudem warf er in seinem 304. Länderspiel vier Tore. „Seine positive Ausstrahlung hilft uns sehr“, sagte Brand. Der Bundestrainer hätte von den Torhütern Henning Fritz und Johannes Bitter, über Florian Kehrmann (8 Tore) bis hin zu Torsten Jansen (5) noch viele andere loben können. Gemeinsam spielten sie in der ersten Halbzeit eine Führung mit sechs Treffern heraus, die auch in den zweiten 30 Minuten nie in Gefahr geriet. Der Vorsprung schrumpfte zwar immer mal wieder (24:20/40.), spätestens nach dem 32:27 (56.) war das Spiel entschieden. Die Slowenen hatten sich immer mehr auf nutzlose Einzelalktionen verlegt.

Im Jubel hoben die Deutschen nicht ab. Sie haben die Pleite vom Polen- Spiel ausgeglichen. Mehr ist nicht passiert. „Gegen Tunesien müssen wir ebenfalls diese Leistung bringen“, sagte Schwarzer. „Das Turnier hat jetzt richtig angefangen.“ In der Hauptrunde muss Deutschland mindestens Platz vier schaffen, um ins Viertelfinale einzuziehen. Der Bundestrainer konzentrierte sich sofort auf den heutigen Gegner. „Tunesien ist genauso stark wie Slowenien“, sagte er. Zu diesem zweiten Hauptrundenspiel (16.30 Uhr, live im ZDF) zieht sein Team nach Dortmund um, wo es auch gegen Frankreich und Island spielen wird. „Wir wissen, dass wir ein gutes Team sind“, sagte Kapitän Markus Baur, auf die Stärke der kommenden Gegner angesprochen. Das Spiel gegen Slowenien hat das endgültig bewiesen.

Hartmut Moheit[Halle, Westfalen]

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