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Sport: Deutschland schlägt Deutschland

Der 17 Jahre alte Lüdenscheider Nuri Sahin hat das entscheidende Tor für die Türkei erzielt

Istanbul - Prominenz kann manchmal sehr schmerzhaft sein, das weiß jetzt auch Nuri Sahin. Der 17 Jahre alte Türke aus Lüdenscheid stand noch umringt von deutschenReportern im Stadion, da packte eine fremde Hand seinen Oberarm und zog den ganzen Sahin zu sich herüber. Die Hand gehörte einem türkischen Fernsehreporter. Sahin kennt das Gefühl, dass zwei Seiten an ihm zerren. Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, und doch spielt er jetzt für die Türkei, das Land seiner Eltern. „Ich bin zu hundert Prozent Türke“, sagt Sahin. „Aber natürlich habe ich auch etwas Deutsches.“

Den Deutschen nützt das nun auch nichts mehr. Um es etwas martialisch auszudrücken: Am Samstagabend, gegen Viertel vor zehn, ist Sahin für den deutschen Fußball gestorben. Da wurde er in die türkische A-Nationalelf eingewechselt, auch noch gegen Deutschland, und aus deutscher Sicht ist beides sehr bedauerlich. Es gibt nämlich einige Parameter, die darauf hindeuten, dass Sahin, der Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund, ein Jahrhundertfußballer werden könnte.

Sahin ist der bisher jüngste Bundesligaspieler, der bisher jüngste türkische Nationalspieler und der bisher jüngste Torschütze der Türken. Schon als er zur Einwechslung bereit stand, riefen die Zuschauer seinen Namen. Trainer Fatih Terim sagte ihm: „Das ist dein erstes Spiel. Ich hoffe, es werden hundert.“

Ausgeschlossen ist das nicht, und es würde bedeuten, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sich noch oft genug grämen muss, Sahin nicht für sich gewonnen zu haben. Wie so viele andere auch nicht. Als die Türken 2002 WM-Dritter wurden, waren die Almancilar, die so genannten Deutschländer Bastürk, Davala und Mansiz, entscheidend an diesem Erfolg beteiligt. Am Samstag kamen insgesamt fünf Spieler zum Einsatz, die in Deutschland geboren sind. Halil Altintop aus Gelsenkirchen erzielte das 1:0, Nuri Sahin aus Lüdenscheid das 2:0, und Yildiray Bastürk aus Herne war die inspirierende Quelle des türkischen Spiels. „Wir waren alle ein Tickchen mehr motiviert als die normalen türkischen Spieler“, sagte Sahin.

Die Türken stellen zwar die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland, bis auf Mustafa Dogan (zwei Länderspiele) ist jedoch bisher kein Türke in der deutschen Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen. „Ich habe kurz darüber nachgedacht, für Deutschland zu spielen“, sagte Nuri Sahin nach seinem Länderspieldebüt. „Aber nachdem die Türken bei mir angerufen haben, habe ich sofort bei den Deutschen abgesagt.“ Solche Aussagen verfestigen beim DFB die Ansicht, dass er ohnehin nicht ankomme gegen die emotionalen Bindungen der Deutschtürken zum Herkunftsland ihrer Familien. Noch am Tag vor dem Länderspiel verkündete der DFB, man habe alles unternommen, um Sahin für Deutschland zu gewinnen. Alles? Der DFB hatte seine Jugendtrainer Michael Skibbe und Jörg Daniel zu Sahins Eltern geschickt.

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