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DFB-Präsident Theo Zwanziger: "Ich bin sehr enttäuscht"

DFB-Präsident Theo Zwanziger über die Weltmeisterschaft ohne Deutsche in Deutschland und mögliche Konsequenzen für die Bundestrainerin.

Herr Zwanziger, wie enttäuscht sind Sie nach dem überraschenden Ausscheiden der deutschen Mannschaft?

Ich bin sehr enttäuscht, daraus mache ich gar keinen Hehl. Ich bin schon etwas älter und in meinem Leben hat es auch schon Enttäuschungen gegeben, ich kann das etwas leichter verarbeiten. Für unsere Nationalspielerinnen, die Trainer und das Betreuerteam, die sich so akribisch vorbereitet haben, kann ich nachvollziehen, dass da eine große Enttäuschung ist. Und deshalb war es mir wichtig, mit allen ein paar Worte zu wechseln und ihnen zu zeigen, dass wir nicht nur dann zusammenstehen, wenn wir feiern und Pokale überreicht bekommen, sondern auch, wenn es mal daneben geht.

Was haben Sie dem Team denn gesagt?

Ich habe mit allen gesprochen, auch mit Silvia Neid, die enttäuscht ist. Die jüngeren Spielerinnen kann man relativ schnell motivieren, weil die wissen, dass die noch eine Perspektive und Chance haben. In zwei Jahren sind schon wieder Europameisterschaften, zwei Jahre später sind Weltmeisterschaften. Es wird sicherlich für die Spielerinnen, für die es das letzte Turnier war, etwas schwieriger sein. Sie hätten sich gern in ihrem Heimatland mit diesem Titel verabschiedet, wären zumindest ins Halbfinale gekommen oder ins Endspiel. Da ist die Enttäuschung ein bisschen größer. Da wird das Ganze etwas länger dauern. Aber der Sport kennt nun mal Sieg und Niederlage, das wissen wir. Und diesmal haben wir halt verloren.

Wird das für Silvia Neid irgendwelche Konsequenzen haben?

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Silvia Neid hat in ihrem Leben viel erreicht. Sie hat nicht nur die europäischen Titel gewonnen als Spielerin, sondern ist auch als Trainerin dann Weltmeister und Europameister geworden. Silvia Neid ist das Beste, was wir finden können, sie hat den Frauenfußball so viel weitergebracht. Sie muss auch mit einer solchen Niederlage leben. Sie wird sie analysieren, sie wird sich die Frage stellen, was schief gelaufen ist. Wir haben viele Aufgaben vor uns, aber die erste und wichtigste ist, den Mannschaften, die ins Halbfinale kommen, unseren Respekt und unsere Anerkennung zu erweisen – besonders den tollen Japanerinnen, die alles abgerufen haben, was sie können. Von daher muss ich wirklich sagen: Kompliment und Gratulation für Japan! Ich freue mich auf das Halbfinale, in dem die japanische Mannschaft dann spielen wird.

Woran hat es gegen Japan gelegen?

Zunächst einmal natürlich am Spiel der japanischen Mannschaft, die in der Tat die Räume sehr eng gemacht hat, sehr defensiv gespielt hat, aber es mit ihrem sehr präzisen Kurzpassspiel unserer Mannschaft unheimlich schwer machte, einmal wirklich richtig Linie zu finden. Also mussten wir uns konzentrieren auf die Standards. Wir hatten eine ganze Menge Freistöße aus der Nähe zum Strafraum, wir hatten eine ganze Reihe von Eckbällen. Normalerweise muss unsere Kopfballüberlegenheit dazu führen, das irgendwann ein Tor fällt. Das Tor hätte ja schon nach wenigen Minuten fallen können, als sich Kim Kulig so schwer verletzt hat. Das scheint die Mannschaft vielleicht auch ein bisschen gelähmt zu haben, ich kann mir das nicht erklären. Ich kann mich kaum erinnern, dass eine deutsche Frauennationalmannschaft mal über 120 Minuten gegen einen starken, aber auch gegen keinen übermächtigen Gegner, kein Tor gemacht hat. Es haperte im Aufbauspiel, es haperte im Umsetzen, es haperte im genauen Passspiel.

Gibt es einen Imageschaden für den DFB?

Och, Imageschaden! Nein! Sie können ja nicht die Leistung des DFB daran messen, dass wir immer Welt- oder Europameister werden. Ganz im Gegenteil, ich bin froh, dass die Weltspitze im Frauenfußball deutlich enger zusammengerückt ist. Das ist doch nur gut für den Frauenfußball. Der Gewinner ist der Frauenfußball insgesamt mit dieser Weltmeisterschaft. Dass die Menschen in Deutschland, die dieser Mannschaft den Titel zugetraut haben, wie wir alle, jetzt enttäuscht sind, wenn du im Viertelfinale ausscheidest, ist doch völlig klar. Aber es geht doch weiter. Wir hören doch nicht auf Fußball zu spielen.

Aufgezeichnet von Anke Myrrhe.

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