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Sport: Die andere Überraschung

Herthas Defensivspieler Gilberto ist für das brasilianische WM-Team nominiert – weil er besonders fit ist

Berlin - Nicht nur Deutschland erlebte bei der Nominierung des Kaders für die kommende Fußball-Weltmeisterschaft eine Überraschung. Auch Brasiliens Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira sorgte mit der Nominierung von Herthas Gilberto für Verwunderung in seinem Land. „Das ist wirklich eine große Überraschung“, schrieb die brasilianische Zeitung „Jornal da Tarde“. So unvorhersehbar wie die Berufung des Dortmunders David Odonkor in die deutsche Mannschaft ist Gilbertos Nominierung jedoch nicht: Der 30-jährige Brasilianer hatte beim Confed-Cup vor einem Jahr in Berlin im Finale gegen Argentinien gespielt. Seitdem war er nicht mehr berufen worden.

Das wichtigste Kriterium für die Nominierung seiner Spieler sei deren körperliche Verfassung, sagte Parreira am Montag in Rio de Janeiro, als er seinen Kader bekannt gab. „Bis zum Beginn der Weltmeisterschaft müssen alle Spieler in Topform sein, denn das wird im Verlauf des Turniers ein entscheidender Faktor sein“, sagte Parreira. Gilberto selbst sprach von einem „Tor in letzter Minute. Ich bin überglücklich und begeistert.“

Der 30-Jährige glaubt, dass er seinen Konkurrenten auf der linken Seite, Gustavo Nery (Corinthians São Paulo) und Junior (FC São Paulo) vorgezogen wurde, weil er vielseitig einsetzbar ist. „Ich kann im Mittelfeld und in der Abwehr spielen, bin sehr flexibel. Das ist mein großes Plus“, sagt er. Außerdem sei seine Bescheidenheit etwas, das dem Nationaltrainer gefalle: „Meine Persönlichkeit hat mich in die Selecão gebracht. Ich denke immer positiv, bin aber ein Realist.“ Gustavo Nery hatte am Mittwoch der vergangenen Woche bereits vorschnell verkündet, dass er nominiert sei.

In der abgelaufenen Bundesligasaison hat Gilberto nicht wirklich überzeugen können. Zunächst war er verletzt, dann wegen privater Probleme monatelang von der Rolle. Erst zum Ende der Saison schöpfte er sein vor zwei Jahren in der Bundesliga gezeigtes Potenzial phasenweise aus. Seinen bis 2008 laufenden Vertrag in Berlin will Gilberto erfüllen: „Ich fühle mich ganz gut in Berlin und denke nicht an einen Wechsel nach Italien oder Spanien. Das käme zu früh für mich.“

Zu Beginn der Weltmeisterschaft in Deutschland wird Gilberto wohl noch nicht in der Startformation stehen. Im Verlauf des Turniers könnte sich das allerdings ändern. „Wenn es nötig wird, Einwechslungen vorzunehmen, dann wird das sicherlich passieren. Wichtig ist, dass alle zu jedem Zeitpunkt fit sind“, sagt Parreira. Und da Außenverteidiger Roberto Carlos 33 Jahre alt ist und nicht mehr über die beste Kondition verfügt, dürften sich Chancen für Gilberto ergeben.

Über Einsatzzeiten macht sich Gilberto noch keine Gedanken. „Ich spiele für Brasilien in meiner Heimat Berlin, was will ich denn mehr?“, sagt er. Für ihn ist jedes Länderspiel eine große Ehre, unabhängig davon, ob er eingesetzt wird. Sein Trikot tauscht er deshalb nie: „Für mich hat es einen unvorstellbaren Wert, es ist eine besondere Prämie.“

Vor der Weltmeisterschaft wird Gilberto allerdings noch einmal hart arbeiten müssen. Ab dem 22. Juni trainieren die Brasilianer in der Schweizer Stadt Weggis. Dort steht laut Parreira das Konditionstraining im Vordergrund.

Der Autor ist Journalist bei der Tageszeitung „O Estado de Sao Paulo“.

Marco Justo Losso

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